Stand: 01.05.2014 00:00 Uhr

Vom Bürgerschreck zum Vorzeige-Papi

Ältere Semester denken bei dem Stichwort "Maske" vielleicht an Loriots Sketch mit dem Horrordarsteller Vic Dorn: "Maske? Was für eine Maske?". Jüngere haben garantiert jemand anders im Kopf: Sido, den Skandalrapper, der sich anfangs nur mit einer martialischen Totenkopfmaske zeigt. "Maske" heißt auch sein 2004 veröffentlichtes, erstes Solo-Album, das von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert wird. Die Scheibe darf nicht an Jugendliche verkauft werden, weil der Song "Endlich Wochenende" Drogenkonsum verherrliche. Zehn Jahre nach seinem skandalträchtigen ersten großen Erfolg sitzt Sido in der Jury für den ESC! Was für eine Entwicklung!

"Mein Block" wird zum geflügelten Wort

Die Klassifikation als jugendgefährdend dürfte Sidos Karriere damals eher beflügelt haben. Das Album "Maske" verkauft sich 180.000 Mal und erhält eine goldene Schallplatte. Maßgeblich zu dem Erfolg beigetragen hat ein anderer Song darauf: "Mein Block". In dem Lied beschreibt Sido, der Künstlername gilt als Abkürzung für "Scheiße in dein Ohr", die Hochhaussiedlung Märkisches Viertel in Westberlin. Hier wohnt der 1980 in Ost-Berlin geborene Paul Würdig, so sein bürgerlicher Name, zusammen mit seiner Mutter, deren Ausreiseantrag 1988 bewilligt worden war. Die ostdeutsche Herkunft hält der Rapper lange geheim. Erst 2009 bekennt er sich in dem Song "Hey Du" dazu. Doch in der Zeit seiner ersten Albumveröffentlichung geht es noch nicht um Bekenntnisse, das kommt erst später. In "Mein Block" rappt Sido: "Meine Stadt, mein Bezirk, mein Viertel, meine Gegend, meine Straße, mein Zuhause, mein Block!". Er berichtet von Drogen, Dealern, Prostituierten, Gewalt, Kriminalität, Sex, alles in einer sehr derben Sprache - und genau das macht ihn berühmt. Die Hookline von "Mein Block" wird bis heute vielfach zitiert und parodiert und kann fast schon als geflügeltes Wort bezeichnet werden.

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Konrad Sommermeyer, Jennifer Weist, Madeline Juno, Andreas Bourani und Sido (Bildmontage) © Konrad Sommermeyer, imago/STAR-MEDIA, NDR/Uwe Ernst, Universal Music/Mathias Bothor, Sido/Universal Music

Die deutsche ESC-Jury 2014

Geballter Sachverstand: Vier deutsche Erfolgs-Musiker und ein nicht minder erfolgreicher Manager sind 2014 für die Jurywertung aus Deutschland zuständig. mehr

Erfolg als Rapper, Moderator und Schauspieler

Sido singt nicht nur von Gewalt und Drogen, zu Beginn seiner Karriere ist beides auch Teil seiner Lebenswelt. Er ist in Schlägereien verwickelt, einmal wird er wegen Beleidigung. Bedrohung und versuchter Körperverletzung angezeigt. Gegen eine Zahlung von 14.000 Euro wird das Verfahren eingestellt. Heute berichtet er über Handydiebstähle in Berliner U-Bahnen, mit denen er damals seine Kokainsucht finanziert hat und schämt sich dafür. Damals können die immer wieder auftauchenden Negativ-Schlagzeilen seiner Karriere nichts anhaben. Bereits 2005 beginnt Sidos Weg zum Mainstream-Rapper. Er startet bei Stefan Raabs "Bundesvision Song Contest" und erreicht als Vertreter von Berlin den dritten Platz. Hier tritt er zum ersten Mal ohne die silber-glänzende Totenkopfmaske auf. Danach geht es rasant bergauf. Bis heute bringt Sido fünf weitere, sehr erfolgreiche Solo-Alben heraus, darunter eine Aufzeichnung eines MTV-Unplugged-Konzerts aus dem Märkischen Viertel. Nach den Fantastischen Vier ist er der zweite deutsche Hip-Hop-Star, der in der renommierten Konzertreihe auftreten darf. Sido gewinnt eine stattliche Anzahl an Musikpreisen: mehrere Cometen, Echos, Bravo-Ottos, goldene Schallplatten und 2013 eine Platin-Schallplatte für seine Single "Bilder im Kopf". Er tritt als Juror und Coach in verschiedenen Castingshows im deutschen und österreichischen Fernsehen auf. 2010 ist er mit der Pro7-Sendung "Sido geht wählen" sogar für den renommierten Grimmepreis und den Deutschen Fernsehpreis nominiert. In dem Dokutainment-Format im Vorfeld der Bundestagswahl 2009 spricht er mit Politikern aller Fraktionen über die anstehende Wahl. Auch als Spielfilmdarsteller macht der Berliner vor der Kamera eine gute Figur. Der Film "Blutzbrüdaz" mit Sido in der Hauptrolle klettert Ende 2011 auf Platz 6 der deutschen Kinocharts.

Der böse Bube ist geläutert

Der Rapper Sido. © Universal Music
Sido mit Totenkopfmaske - das war einmal. Heute stylt er sich wie ein Großstadt-Hipster.

Heute steht Sido nicht mehr für "Scheisse in dein Ohr", sondern für "Super intelligentes Drogenopfer" - doch von einem Drogenopfer ist Paul Würdig weit entfernt. Er gehört zu den erfolgreichsten deutschen Musikern und ist als Geschäftsmann mit einem Mode-Label und einem eigenen Tattoo-Studio erfolgreich. Auch privat hat er sein Glück gefunden. Seit 2012 ist er mit der Moderatorin Charlotte Engelhardt, jetzt Würdig, verheirat. Die beiden haben einen Sohn.

"Ich möchte nie wieder in so ein Viertel zurück."

In "Mein Block" singt Sido noch: "Mein schöner weißer Plattenbau wird langsam grau Draufgeschissen! Ich werd auch alt und grau im MV." (MV steht für Märkisches Viertel). Diese ghettostolze Zukunftsaussicht aus dem Jahre 2004 hat nichts mehr mit seinem Leben zu tun. Heute wohnt er in einem großen Haus im Grünen außerhalb von Berlin und sagt: "Ich möchte nie wieder in so ein Viertel zurück."

Dass er einmal zur Jury für den Eurovision Song Contest gehört, hätte er sich damals sicher auch nicht träumen lassen!

 

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 10.05.2014 | 21:00 Uhr

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