Stand: 31.03.2016 13:46 Uhr

Warum gibt es die Big Five beim ESC

Die Landesflaggen von Deutschland, Frankreich, Spanien, Großbritannien und Italien. © fotolia.com
Deutschland, Frankreich, Spanien, Großbritannien und Italien haben beim ESC einen garantierten Finalplatz.

Fünf Länder müssen beim Eurovision Song Contest durch kein Semifinale, um im Grand Final dabei zu sein: Deutschland, Frankreich, Spanien, Großbritannien und Italien. Es war das norwegische Fernsehen NRK, das diese Regelung gefordert hatte, im Jahre 1996. Damals hatte sich Deutschland in einer Art internen Vorrunde nicht für den großen Abend qualifizieren können. Die durch das norwegische Fernsehen eingeworbenen Sponsoren beschwerten sich - denn die deutschen Zuschauer fehlten am Finalabend.

Der Grund dafür, dass die Big Five im Finale garantiert mit von der Partie sind, war also nicht allein - wie überall behauptet wird - dass diese Länder am stärksten in den Topf des European Broadcasting Union (und damit des ESC) einzahlen. Wichtiger ist, dass es ohne diese Länder beim Abend aller Abende einen erheblichen Abfall der eurovisionären Zuschauermenge gibt. Man weiß ja: Länder, die in den Semis auf der Strecke bleiben, übertragen zwar das Finale, aber die Quote ist ohne eigenen Kandidaten im Rennen sehr, sehr überschaubar.

Big Five und Gastgeberland im ESC-Finale gesetzt

Leider hat diese Regelung seit vielen Jahren, so scheint es, für die Big Five einige Probleme zur Folge: Bis auf Ausnahmen landen die Lieder der fünf direkt qualifizierten Länder in der zweiten Hälfte des Finaltableaus, öfters auch ganz weit hinten. Seit dem ESC 2008 in Belgrad sind nur noch die Big Five (damals noch ohne Italien, also die Big Four) und das jeweilige Gastgeberland automatisch im Finale. Die Bilanz fällt für die Großen mau aus.

Viele schlechte Platzierungen

Andy Abraham aus Großbritannien. © NDR Foto: Rolf Klatt
Landete 2008 auf dem letzten Platz: Andy Abraham aus Großbritannien.

Frankreich landete in dieser Zeit bei acht Teilnehmern einmal auf dem letzten Rang und nur ein einziges Mal unter den Top 10, das war Patricia Kaas 2009 in Moskau mit "Et s’il fallait le faire". Meistens fand sich dieses ESC-Erfolgsland bis in die Siebzigerjahre hinein ganz weit hinten. Gleiches gilt für Spanien, das seit 2008 durch die Bank nur für hintere Ränge in Frage kam. Ausnahmen waren hier zwei zehnte Plätze: 2012 durch Pastora Soler mit "Quédate conmigo" in Baku und 2014 in Kopenhagen durch Ruth Lorenzo mit "Dancing In The Rain". Großbritannien, beim ESC bis Ende der Achtzigerjahre die Großmacht schlechthin, schaffte später nur zweimal den Sprung in das obere Finaltableau - und für Jade Ewen gab es 2009 einen guten fünften Rang mit "It’s My Time". Den Niedergang des Vereinigten Königreichs belegen freilich nichts mehr als zwei letzte Plätze (2008 durch Andy Abraham und 2010 durch Josh Dubovie). Der Rest ist auch nicht als besser zu bilanzieren.

Deutschland: Gemischte Bilanz

Ann Sophie auf der ESC Bühne in Wien. © Rolf Klatt / NDR Foto: Rolf Klatt
Enttäuschung für die deutsche Kandidatin Ann Sophie im Jahr 2015 - auch sie kam auf den letzten Platz.

Deutschlands Bilanz fällt natürlich schon deshalb aus diesem Rahmen, weil Lena 2010 mit "Satellite" gewann und im Jahr darauf mit "Taken By A Stranger" noch Zehnte wurde. Roman Lob wurde mit "Standing Still" gar Achter. Sonst gab es durchweg nur bedauernswert schlechte Platzierungen, wie die der No Angels 2008 oder die von Ann Sophie im vorigen Jahr. In gewisser Weise anders fällt das Resümee bei Italien aus. Beim Debüt - nach jahrelanger Pause - 2011 in Düsseldorf schaffte Raphael Gualazzi den zweiten Platz. Bis auf Emma Marrone 2014 landeten alle Lieder dieses erfolgreichen ESC-Landes unter den Top 10, zuletzt Il Volo mit "Grande Amore" auf dem dritten Rang.

Fehlende Präsenz im ESC-Halbfinale

Es gibt Fans, die die eher schlechten Platzierungen für angemessen halten: Schlechte Lieder finden sich am Ende weit hinten. Andere sagen, dass die Big Five, besser: Frankreich, Großbritannien und Spanien (und in gewisser Weise auch Deutschland) den Anschluss an das moderne Popgeschehen nicht schaffen. Bis zum Beweis des Gegenteils würde ich sagen: Da die genannten Länder keinen Pop minderer Güte abliefern, liegt das unterdurchschnittliche Abschneiden an der fehlenden Präsenz in den Semis. Also: dass sie dort nicht performen können. Immerhin: Die Kandidaten werden in sekundenknappen Clips in den Semis vorgestellt, im vorigen Jahr auch kurz interviewt.

Australien verzichtet auf garantierten Finalplatz

Die australische Sängerin Dami Im © Peter Brew-Bevan Foto: Peter Brew-Bevan
Muss 2016 im Halbfinale antreten: Australienskandidatin Dami Im.

Es wäre besser, es würden alle sechs Acts auch in den Semis in voller Länge vorgestellt. Das war im Übrigen auch der Plan der ESC-Reference-Group, aber, soweit ich hörte, ist dieses Projekt wieder in Gefahr: Nur 60 Sekunden sollen die finalgesetzten Lieder in den Semis vorgestellt werden. Das ist zu wenig.

P.S.: Australien verzichtete dieses Jahr auf einen garantierten Finalplatz. Der Sender PBS und deren nominierte Sängerin Dami Im wollen sich der Unsicherheit aussetzen, es möglicherweise nicht zu schaffen. In Wahrheit will der Sender mit dem Semi (inklusive der eigenen Chanteuse) bessere Quoten erzielen.

 

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 14.05.2016 | 21:00 Uhr