Stand: 28.01.2014 15:07 Uhr

Die EBU macht ernst

Farid Mammadov, eine Tänzerin und Tänzer in einem Glaskasten auf der Bühne beim ESC 2013. © NDR Foto: Rolf Klatt
Nach derzeitigen Informationen bot die Stimmabgabe für Aserbaidschan in Malmö Anlass zum Statement der EBU.

Was für eine Erklärung: Die stark gelbe Karte für Aserbaidschan. Eine offizielle Mahnung, dass es im Zusammenhang mit Acts aus Baku keine Unregelmäßigkeiten, keine Gerüchte, nicht einmal den Anschein von möglicher Manipulation geben darf.

Die European Broadcasting Union (EBU) setzt ein gutes Zeichen, dem Gemurmel um Schiebungen und Unregelmäßigkeiten beim ESC etwas Substantielles entgegenzusetzen. Und das heißt: nicht nur zu beschwichtigen oder zu beschönigen. Im Sinne von: Nein, das geht schon alles mit rechten Dingen zu. Ein europäisches Projekt, und ein solches ist seit 1956 der Eurovision Song Contest, ist nur buchstabierbar als eines mit transparenten Regeln und die Überwachung ihrer Einhaltung. Schlimm genug, dass es früher nicht der Fall gewesen scheint.

Vieles noch offen

Nach wie vor ist offen, weshalb 1968 aus Frankfurt am Main vom Hessischen Rundfunk so viele Punkte zu Massiel herüberwanderten, zur späteren Siegerin, und zum Engländer Cliff Richard kaum welche - und die Spanierin schließlich als Außenseiterin gewann. Spielten da die freundschaftlichen Besuche zwischen der Unterhaltungsabteilung des Hessischen Rundfunks in Madrid eine Rolle? Oder persönliche Freundschaften? Aufgeklärt wurde einst nichts, und wer etwas wissen wollte, musste sich ins Nebulöse fügen - so wie Untertanen es zu tun haben. So war das damals, in diesen Zeiten, als - zumal in einem europäischen Festivalprojekt, das ohnehin für unpolitisch gehalten wurde - alle Seltsamkeiten hingenommen werden mussten.

Die Zeiten haben sich geändert

Die Zeiten haben sich geändert, wie schön. Wer Demokratie und Recht zusammen denken will, ja muss, kam nicht umhin, schon die Einführung des Televoting gut zu finden - das war von 1997 an der Fall und ist seit 1999 die Regel. Seit osteuropäische Länder mit im Spiel sind, ist das Geraune wieder größer geworden - Russland und vor allem Aserbaidschan sind in dieser Hinsicht keine befreundeten Länder, die auf Ehre, Gesetz und demokratische Umgangsformen halten. Die European Broadcasting Union hat nun in einer Stellungnahme einen weiteren Schritt Richtung Transparenz verkündet - und einen Beschluss gefasst. Besser: eine Drohung formuliert. Es geht in dem jüngsten Statement des Lenkungsausschusses des ESC - in dem auch die ARD mit Thomas Schreiber vertreten ist - um die offenbar für die European Broadcasting Union erwiesene Versuche, zu Aserbaidschans Gunsten Stimmen zu akquirieren. Also durch Schummelei.

In dem Statement steht ausdrücklich, dass Ictimai TV in Baku nichts nachgewiesen wurde, dass aber dieser Sender enttäuschenderweise nicht besonders behilflich bei der Aufklärung des Falls war. Wie man weiß, haben Unbekannte etwa in Estland versucht, diese Manipulation ins Werk zu setzen - waren dabei aber von einer versteckten Kamera beobachtet worden. (Eine kleine Spekulation sei angefügt: Ictimai TV hat womöglich gar nichts mit der Sache zu tun gehabt. Denn dieser Sender hat ohnehin nicht viel zu melden in Aserbaidschan, das faktisch ja von oligarchischen Familien dirigiert wird - besonders der Familie Alijew. Aber: Die aserbaidschanischen Acts sind fast alle von der in Kiew beheimateten Promotionfirma Euromedia promotet worden.

Disqualifikation bei versuchtem Stimmenkauf

Diese Company betreut die Künstler, das tat sie auch schon bei der Ukrainerin Ruslana, die den ESC ja 2004 gewann.) Jedenfalls: Gut ist, dass, wie beim Doping im Sport, die EBU verkündet, alles auch hinterher genau zu prüfen. Und das heißt: Sollte noch irgendein Land (besser: ein Sender) auf die Idee kommen, Stimmen kaufen zu wollen etwa durch Jury- oder Televotingcomputermanipulationen, würde es disqualifiziert für das kommende Jahr. Im Falle Aserbaidschans und des Senders Ictimai TV bedeutete dies: Kopenhagen wäre der letzte Ausflug dieser öloligarchischen Region am Kaspischen Meer - Aserbaidschan wäre von 2015 an für drei ESC-Jahrgänge nicht mehr startberechtigt. Ich finde diese Entscheidung, dieses Statement vor allem für die Zukunft gut - ob sie dann Aserbaidschan treffen oder andere Länder: jedenfalls angemessen - aber weise. Wie sonst sollte man sich der Versuche erwehren, aus einem transparenten Verfahren eines von Zufall und Manipulation zu machen? Würde man dies weiter dulden, wäre es der Tod des Eurovision Song Contest. Niemand würde das wollen - vermutlich auch Aserbaidschan nicht.

P.S.: ARD-Unterhaltungskoordinator und deutscher ESC-Chef Thomas Schreiber vom NDR auf die Frage, ob sich die Reference Group mit ihrem öffentlichen Statement einig war: "Ja!"

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 10.05.2014 | 21:00 Uhr

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