Stand: 25.02.2016 23:20 Uhr

Kommentar: Stockholm kann kommen

Jamie-Lee Kriewitz auf der Bühne vor dem Eurovisionlogo. © NDR Foto: Rolf Klatt
Siegte nicht nur mit ihrem Song und einer breiten Fanbase: Jamie-Lee Kriewitz steigerte sich perfekt in ihrer Performance, findet Jan Feddersen.

Man wird sagen, dass Jamie-Lee Kriewitz das beste Lied hatte. Oder die anderen weniger gelungene Lieder in petto hatten. Höchstwahrscheinlich wird kommentiert werden, dass die "The Voice"-Siegerin vom vorigen Jahr ja ihre Fanbase am besten mobilisieren konnte. All das stimmt. Ihr klassisches Poplied "Ghost" passt in die Zeit, es erinnert von fern an den Stil, den vor drei Jahren die Dänin Emmelie de Forest anschlug. Weniger dramatisch, mehr Sound als Melodie. Und, ja, die 17 Jahre junge Jamie-Lee Kriewitz hat gewonnen, weil solche Performerinnen wie sie eben gewinnen - und die anderen nicht.

VIDEO: Jamie-Lee Kriewitz mit "Ghost" (3 Min)

Sie nämlich ging mit einer solchen Unerschütterlichkeit auf die Bühne, so wie sie in den vergangenen Stunden, bei Proben, bei Pressekonferenzen, bei Interviews und beim Warten auf den Auftritt immer unerschütterlich blieb. Und freundlich und ungestresst wirkte, weil sie eben nicht aufgeregt war. Sondern sich ersichtlich auf den Auftritt freute - und, so steht zu vermuten, gewinnen wollte. Nicht gegen andere, sondern für sich. Für ihre Freude, auf der Bühne zu stehen und ein Lied zu singen.

Nicht zu überehrgeizig

Und es war ein Vergnügen, ihr beim Vortrag zuzusehen. Wie Jamie-Lee Kriewitz sich quasi von der ersten Runde zur zweiten steigerte und quasi in ihre Performance so perfekt hineinwuchs, wie es echten ESC-Größen auch ansteht. Sie hat, mit anderen Worten, die anderen hinter sich lassen können, weil sie nicht überehrgeizig wirkte und ihre Stimme ins Mikro presste, als sei es ein Leistungswettbewerb der Oktavenausbreitungskunst.

Die zwei hinter ihr Platzierten, Alex Diehl und die Meat-Loaf-Gedächtnisband Avantasia waren ja nicht viel schlechter. Ersterer mit 33,9 Prozent des Televotings Zweiter, die Band mit 21,6 Prozent Dritter. Aber 44,5 Prozent für Jamie-Lee Kriewitz deutet an, dass ihr Sieg ebenso eindeutig ausfiel wie vor sechs Jahren der von Lena Meyer-Landrut. Offenbar hat der gebürtigen Niedersächsin die Location Glück gebracht: In der, sozusagen Raab-Arena an der Schanzenstraße in Köln-Mülheim, begann auch die Reise für Lena und für Roman Lob in die internationale Eurovisionwelt.

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Jamie-Lee Kriewitz als Siegerin auf der Bühne. © NDR Foto: Rolf Klatt

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Die ausgesiebte Konkurrenz

Die sieben Acts, die nach der ersten Runde auf der Strecke blieben, müssen sich nicht grämen. Sie hatten starke Konkurrenz. Luxuslärm, Keøma, Laura Pinski, Joco, Ella Endlich, Woods of Birnam und Gregorian dürfen nicht enttäuscht sein: Gegen eine sehr junge Frau, die schon bei "The Voice" mit starken Leistungen überzeugte, hatten sie nicht den Hauch einer Chance: Kaum etwas ist auszurichten gegen eine Aspirantin, die fest entschlossen ist, die eigene Karriere tüchtig anzutreiben. Gegen sie wirkten die Profis von Avantasia routiniert und arm an Herzenswärme. Nur Alex Diehl kam noch an sie fast heran. Aber sein "Nur ein Lied" passte als Statement zu den Pariser Terroranschlägen im Dezember, als leicht jammerige Klage - aber das melancholische "Ghost" der Siegerin war offenbar berührender.

Sie wird mit ähnlichem Outfit antreten: mangamäßig, koreanisch inspiriert und absolut farbenfroh. Lenas ESC-Siegeszug war ihre erste Berührung mit dem Eurovisionsfestival. Das möchte man als gutes Omen nehmen, dass sie den zartesten Wunsch in Erfüllung gehen lassen kann: Nicht wie im vorigen Jahr, als Ann Sophie mit null Punkten nach Hause geschickt wurde.

Man weiß ja nicht, wer sich noch für Stockholm qualifiziert, aber: In der Form von Köln wird sie sehr viele Stimmen ernten können.

 

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 25.02.2016 | 20:15 Uhr

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