Stand: 31.03.2016 14:16 Uhr

Australien: ESC-Fieber am anderen Ende der Welt

Guy Sebastian auf der ESC-Bühne in Wien. © Rolf Klatt / NDR Foto: Rolf Klatt
Im Jahr 2015 war Australien erstmals beim ESC dabei: Guy Sebastian landete auf einem guten 5. Platz.

Zum 60. Jubiläums-Song-Contest in Wien durfte Australien mit dem Sänger Guy Sebastian seinen ersten eigenen Beitrag entsenden. Dass das Land am anderen Ende der Welt am größten Musikwettbewerb der Welt teilnehmen darf, ist durchaus naheliegend - wenn man sich ein wenig näher mit der australischen Musik- und Fernsehgeschichte beschäftigt.

Musik der Aborigines

Die australischen Ureinwohner, die Aborigines, leben schon seit über 50.000 Jahren auf dem fünften Kontinent. Ihre Musik zählt zu den ältesten kulturellen Zeugnissen der Menschheit und hat zum Teil rituellen Charakter. Dabei unterscheiden die Aborigines zwischen zwei Ebenen, einer inneren, die nur für Eingeweihte bestimmt ist, und einer äußeren, die für jeden Hörer zugänglich ist. In den mündlichen Überlieferungen wird zum Klang von Didgeridoo und Schlaghölzern die Geschichte einzelner Familien und Clans erzählt und fortlaufend aktualisiert. Ein besonders interessantes Phänomen sind die "Songlines", musikalische Erzählungen, in denen mythologische Elemente mit Ortsbeschreibungen verschmelzen. Dank ihrer Hilfe konnten sich die australischen Ureinwohner auf Wanderungen durch die Wüste über Hunderte von Kilometern orientieren, indem sie die Lieder in einer bestimmten Reihenfolge sangen.

Hintergrund
Die Länder-Fähnchen-Herzen der Eurovisionslogi laufen um eine Weltkugel.  Foto: Jonas Ockelmann

Mit Dr. Wolther um die Welt

Dr. Irving Wolther hat über Europas größten Musikwettbewerb promoviert. Auf eurovision.de stellt der Musikwissenschaftler die teilnehmenden Länder und ihre musikalischen Traditionen vor. mehr

Die Entdeckung durch die Europäer Anfang des 17. Jahrhunderts läutete für Australien ein neues Zeitalter ein, doch es dauerte noch einmal 170 Jahre, bis der Seefahrer James Cook die fruchtbare Ostküste des Kontinents für die britische Krone in Besitz nahm. 1788 begann schließlich die Geschichte Australiens - mit der Errichtung einer Strafkolonie. Zehntausende Gefangene wurden im Laufe der Jahre dorthin verbannt, aber auch Siedler nahmen den weiten Weg aus England auf sich, um sich hier ein neues Leben aufzubauen. Mitte des 19. Jahrhunderts war Australien bei Einwanderern so beliebt, dass es für eine Sträflingsverbannung nicht mehr infrage kam. Die Neuankömmlinge hatten die Folklore der britischen Inseln ebenso mit im Gepäck wie deutsches und skandinavisches Liedgut. 1901 schlossen sich dann die einzelnen Kolonien auf dem Kontinent zum Commonwealth of Australia zusammen.

Country Music und Rock 'n' Roll

Aus der Verschmelzung der Musiktraditionen der Kolonisten entstand eine spezifische australische Country Music, die von sogenannten Bush Bands gespielt wird und sehr viel keltischer klingt als ihre US-amerikanische Variante. Sie erlebte nach dem Zweiten Weltkrieg ein Revival, das in Kombination mit zeitgenössischen musikalischen Strömungen wie dem Rock 'n' Roll den Grundstein für die moderne australische Unterhaltungsmusik legte. Erst in den 1980er-Jahren gelang es der einheimischen Musikindustrie allerdings, ihre Produkte auch international erfolgreich zu vermarkten. Bis dahin waren viele australische Künstler ins englischsprachige Ausland gegangen, um ihren Traum von der Musikkarriere zu verwirklichen. Mittlerweile mischt Australien in den internationalen Charts eifrig mit, besonders erfolgreich in den Bereichen Pop und Indie-Rock.

Warum Eurovision?

Dass der Eurovision Song Contest in Australien so populär ist, hat etwas mit der aktiven Einwanderungspolitik der australischen Regierung nach dem Zweiten Weltkrieg zu tun. Vor allem aus Europa strömten die Menschen nach Down Under. Als 1975 ein neues Krankenversicherungssystem eingeführt wurde, wollte man die neuen Zuwanderer in ihren ursprünglichen Landessprachen informieren und gründete hierfür den Special Broadcasting Service SBS. Zunächst als reines Informationsprogramm gedacht, strahlte SBS von Anfang an Sendungen mit multikulturellem Charakter aus - ab 1983 auch den Eurovision Song Contest. Im Laufe der Jahre wurde der Wettbewerb als Brücke in die alte Heimat immer beliebter und ist mittlerweile die erfolgreichste Fernsehsendung des Senders. Wegen der Zeitverschiebung wird die Show allerdings erst am darauffolgenden Abend ausgestrahlt, denn um 5 Uhr morgens hält sich auch in Australien die Partystimmung in Grenzen.

 

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 13.05.2017 | 21:00 Uhr

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