Stand: 14.03.2008 11:26 Uhr

Portugal: Fado als Lebensgefühl

Blick auf den Strand von Estoril in Portugal. © picture alliance / HB-Verlag Foto: Thomas P. Widmann
Portugal: früher Seefahrernation, heute Urlaubsland.

Die westliche Randlage auf dem europäischen Kontinent war für Portugal in der Vergangenheit Segen und Fluch zugleich: Sie ermöglichte dem kleinen Land, zu einer der bedeutendsten Seefahrernationen aufzusteigen, machte es jedoch zugleich zum kulturellen Außenseiter. Dabei haben die zahlreichen Wechselfälle der portugiesischen Geschichte in der Musik markante und faszinierende Spuren hinterlassen.

Die Kirche gibt den Ton an

Wie auch Spanien fiel Portugal im 8. Jahrhundert an die Mauren, die arabische Gesangstraditionen in das Land brachten. Nach der Rückeroberung Portugals übernahm die Kirche dann im Mittelalter die musikalische Führungsrolle. Das weltliche Musikleben, das sich parallel an den Fürstenhöfen entwickelt hatte, kam nach dem vorübergehenden Verlust der Unabhängigkeit fast völlig zum Erliegen. Dadurch behauptete die sakrale Musik über viele Jahre ihre Vormachtstellung. In der Volksmusik jedoch wurden viele "heidnische" Traditionen bewahrt: So trägt die Dudelsack-Folklore der nördlichen Provinz Trás-os-Montes noch deutliche keltische Züge, während die mehrstimmigen Gesänge im südlichen Baixo Alentejo ihre orientalischen Wurzeln nicht verleugnen können.

Fado - Musik und Lebensgefühl

Blick auf Lissabons Altstadt Alfama © picture-alliance / Klaus Rose Foto: Klaus Rose
In den Armenvierteln der Hauptstadt Lissabon ist einst der Fado entstanden.

Überraschenderweise ist gerade die Musikrichtung, die als besonders typisch für Portugal gilt, vergleichsweise jung: der Fado entstand erst Mitte des 19. Jahrhunderts in Lissabon. Ob seine Ursprünge nun bei heimwehgeplagten Seeleuten, afrikanischen Sklaven oder bei den Mauren liegen - sicher ist, dass sich der Fado in den Armenvierteln der Hauptstadt entwickelt hat und daher in gehobeneren Kreisen lange Zeit verpönt war. Die in den wehmütigen Texten des Fados vielbeschworene "saudade", eine unbestimmte Sehnsucht, die sich sowohl individuell als auch kollektiv interpretieren lässt, gilt als bestimmendes Lebensgefühl der Portugiesen. Nicht umsonst darf eine Fado-Sängerin erst dann zufrieden sein, wenn sie ihr Publikum zu Tränen gerührt hat. Die zweite Fado-Hochburg liegt in der Universitätsstadt Coimbra, wo die ausschließlich männlichen Interpreten einen akademischeren aber dafür etwas optimistischeren Stil pflegen.

Musik und Politik

Nicht alle Portugiesen lieben den Fado. Das hat auch historische Gründe, denn die schwermütige Musik erlebte ihre Blütezeit unter der Militärdiktatur von General Salazar, der aus dem internationalen Ansehen erfolgreicher "Fadistas" politisches Kapital schlug. Als Gegenbewegung zum fatalistischen Fado entstanden die "Canções de intervenção", politische Lieder, in denen mehr oder weniger verschlüsselt auf die Missstände im Land aufmerksam gemacht wurde. Selbst das Festival RTP da Canção, die nationale portugiesische Vorentscheidung zum Eurovision Song Contest, bot in dieser Hinsicht immer wieder textlichen Zündstoff, aber auch zeitlose patriotische Lyrik, die bis heute an den Schulen gelehrt wird. Viele der Protestsänger wurden verfolgt, verhaftet oder des Landes verwiesen. Nach der Nelkenrevolution 1974 wurde die Tradition der politischen Lieder weitergeführt, um den politischen Wandel unter der neuen demokratischen Regierung zu dokumentieren - auch in zahlreichen portugiesischen ESC-Beiträgen.

Música Moderna, HipHop Tuga und Pimba

Vania Fernandes vor der Portugisischen Flagge. (Bildmontage) © Fahne: Fotolia, Quelle Künstler: WireImage Foto: Fahne: Juergen Priewe, Fotograf Künstler: Rolf Klatt
Vânia Fernandes kam mit ihrem Song "Senhora do Mar" 2008 auf den 13. Platz.

Von dem Ende der Diktatur und der damit verbundenen Zensur profitierte vor allem die Rockmusik, die in Portugal bis dahin ein Schattendasein gefristet hatte. Ihren großen Durchbruch erlebte die sogenannte "Música Moderna Portuguesa" Anfang der 1980er-Jahre. Viele der damals erfolgreichen Bands sind bis heute fester Bestandteil der portugiesischen Rock- und Popszene, die mittlerweile ihre eigene musikalische Sprache gefunden hat. Auch anderen Stilrichtungen wurde eine typische portugiesische Prägung verliehen: Im HipHop Tuga verschmelzen Sprechgesang und afrikanische Rhythmen aus den ehemaligen Kolonien, und auch die Jazzszene lässt sich von heimischen Klängen inspirieren. Weniger anspruchsvoll aber dafür umso beliebter ist Pimba, eine volkstümliche Musikrichtung, die sich in der Tradition der portugiesischen Folklore sieht und für ihre anzüglichen Wortspiele berüchtigt ist.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 13.05.2017 | 21:00 Uhr

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