Stand: 23.05.2016 13:00 Uhr

Ruslana: "Fundamentaler Sieg für Ukraine"

Ruslana bei einer Pressekonferenz im Europa Parlament im Jahr 2014. © Picture-Alliance Foto: Wiktor Dabkowski
Der ESC-Sieg verhalf der Ukrainerin Ruslana zu einer internationalen Karriere.

Im Jahr 2004 schreibt die Künstlerin Musik-Geschichte: Mit ihrem Titel "Wild Dances" gewinnt Ruslana als erste Ukrainerin den Titel beim Eurovision Song Contest in Istanbul. Nach ihrem Sieg nutzt die heute 43-Jährige ihre Popularität, um sich in der Demokratie-Bewegung ihres Landes, der Orangenen Revolution, zu engagieren. Bis heute ist sie ein politischer Mensch geblieben, nimmt an Protesten gegen die Besetzung der Krim teil. Der ESC war für sie ein Sprungbrett zu einer internationalen Karriere: Sie wird in Las Vegas mit dem World Music Award ausgezeichnet, singt Duette mit US-Stars wie Missy Elliot und T-Pain. Sogar in China ist ihr Album "Wild Dances" bekannt. Mit eurovision.de plauderte Ruslana Lyzhichko über ihre bisherige Laufbahn und den größten Musikwettbewerb der Welt, der im kommenden Jahr in ihrem Heimatland stattfindet.

Ruslana, Sie haben den Sieg der Ukraine im Mainzer "Fernsehgarten"-Hotelzimmer gesehen und gefeiert. Weshalb nicht als Jamalas Unterstützerin in Stockholm?

Ruslana: Zunächst einmal, Jamala ist als Mensch und als Sängerin einzigartig. Als Mitglied der Jury beim ukrainischen Vorentscheid habe ich sie natürlich unterstützt, am Tag des Finales habe ich sie angerufen, um ihr Erfolg zu wünschen. Die ganze Zeit war ich mit dem Herzen bei ihr. Es war gut und richtig, dass sie in Stockholm die ungeteilte Aufmerksamkeit genoss. Ich war sehr froh, dass ich im deutschen Fernsehen auftreten konnte - ausgerechnet an diesem besonderen Tag: Am Tag nach Jamalas Sieg und auf den Tag genau zwölf Jahre nach meinem Sieg in Istanbul. So konnten wir der deutschen Öffentlichkeit die Vielfalt der ukrainischen Musik zeigen - von den Karpaten bis zur Krim. Vor Ort in Stockholm hätte ich sie nicht besser unterstützen können.

 Was bedeutet Ihnen Ihr eigener ESC-Sieg? Hat er der Karriere genützt?

Als es damals "The winner is Ukraine" hieß, war das ein unglaublicher Moment. Aber was sind schon Worte. Alles, was danach kam und was ich erreicht habe, war nur wegen dieses einen Moments. Der ESC hat mir die Möglichkeit gegeben, von einem lokalen Level auf ein Weltniveau zu kommen. "Wild Dances" hat sich in den vergangenen zwölf Jahren zu einem eigenen Stil entwickelt, der sogar im amerikanischen Showbusiness nachgeahmt wird.

Porträt
Ruslana vertritt die Ukraine 2004 beim Grand Prix und belegt den 1. Platz © Picture Alliance Foto: Sven Simon

Ruslana Lyzhichko gewinnt 2004 den ESC für die Ukraine

Der künstlerische Durchbruch für die Sängerin aus der Ukraine kam 2004 nach ihrem Sieg beim Grand Prix. Seitdem stellt Ruslana immer wieder neue Musikprojekte auf die Beine. mehr

Und welche Wichtigkeit hat der Sieg von Jamala für das ukrainische Selbstverständnis?

Es gibt nur wenige Musikereignisse, die die Welt verändern können. Danach ist nichts mehr so, wie es vorher war. Für die Ukraine und die Ukrainer ist Jamalas Sieg eine Chance, in der ganzen Welt gesehen, gehört und verstanden zu werden. Für die Ukraine ist das eine dringend benötigte Chance, wieder an die Werte zu glauben, für die die Ukrainer in den vergangenen Jahren hart gekämpft haben. Werte, die viele Ukrainer mit ihrem Leben bezahlt haben. Wer die heutige Ukraine verstehen will, möge die Stimme Jamalas hören. Aber dieser Sieg ist nicht nur eine Chance für die Ukraine, er ist auch eine Chance für alle, die Frieden, eine freie Entwicklung und freie Meinungsäußerung anstreben.

War es wichtig, dass Jamala vor dem Russen Sergej Lazarev liegen würde - und am Ende ja auch lag?

Für die Ukraine war das ein fundamentaler Sieg. Das sagt eigentlich schon alles. Für uns war das Wichtigste, dass unser Schmerz gehört und verstanden wird. Wichtig ist vor allem, dass dieses Jahr der ESC nicht einfach nur ein Wettbewerb war, bei dem das beste Lied gewonnen hat. Dass der diesjährige Slogan "Come Together" zu 100 Prozent umgesetzt wurde. Die Menschen waren sich einig in ihren Wertvorstellungen. Die Musik hat die Menschen vereint, um den gemeinsamen Schmerz zu lindern. Die Musik hat das ausgesagt, wovor Politiker Angst haben, es auszusprechen.

Werden das ukrainische Fernsehen und die ukrainische Regierung sich anstrengen, dass Russland im kommenden Jahr in der Ukraine dabei ist?

Die Regierung und das ukrainische Fernsehen werden alles Mögliche tun, damit der ESC auf höchstem Niveau stattfindet, denn das entspricht dem Image unseres Landes. Natürlich werden alle Sicherheitsstandards eingehalten, sodass die russische Delegation keine Angst zu haben braucht. Was den Aufenthalt und die Teilnahme am Wettbewerb angeht, wird die Ukraine für alle die besten und gleichen Bedingungen schaffen - natürlich auch für Russland.

Wäre die Opening-Party des ESC in der Ukraine auf dem Kiewer Maidan am besten?

Nein. Der Maidan ist eine Gedenkstätte. Auf diesem Platz sind Menschen gestorben und daran muss man sich immer erinnern. Wir müssen das Andenken der "Himmlischen 100" ehren. Ich finde, dass jegliches Entertainment auf dem Maidan fehl am Platze ist.

Könnten Sie sich vorstellen, dass der ESC 2017 in einer anderen Stadt als Kiew stattfindet?

Alle ukrainischen Städte haben das Recht, dieses europäische Fest auszutragen. Ich glaube aber, dass der Eurovision 2017 dort stattfinden sollte, wo sich die Gäste am wohlsten und sichersten fühlen. Man darf nicht vergessen, dass wir Europa "Welcome to Ukraine" sagen. Natürlich ist mein Traum, den Contest in meiner Heimatstadt Lwiw auszutragen. Lwiw ist eine europäische Stadt voller Ästhetik. Unseren Gästen würde es sicher an nichts fehlen. Aber Kiew ist die Mutter aller slawischen Städte. Deswegen sollte der Eurovision - trotz meiner Träume - vielleicht lieber dort stattfinden. Kiew, das ist eine historisch bedeutsame Hauptstadt, wo die Kiewer Rus gegründet wurden. Der ESC wäre das i-Tüpfelchen in der Geschichte der Stadt. Natürlich gibt es viele Diskussionen darüber, dass der Eurovision 2017 auf der ukrainischen Krim stattfinden sollte. Objektiv betrachtet ist das aber nicht möglich, doch Jamalas Sieg war ein wichtiger Sieg, damit dies eines Tages möglich sein wird.

Möchten Sie beim ESC 2017 eine Rolle spielen?

Natürlich werde ich bei der Organisation und Durchführung des Eurovision 2017 mitwirken. Ich bin mir sicher, dass der ESC die Energie all der ukrainischen Musiker und Menschen bündeln wird, deren Sehnsucht es ist, der großen europäischen Familie anzugehören. Und sicher werden mein Mann und ich unsere gesamte Erfahrung und Energie darauf ausrichten, dass dieser ESC in der Ukraine auf höchstem Niveau abläuft. Nachdem ich einmal den ESC gewonnen habe, empfinde ich es als meine Pflicht, meine Erfahrungen einzubringen, um unsere Kulturen und Traditionen, die europäischen und ukrainischen, näher zusammenzubringen. Denn gemeinsam können wir so viel schaffen.

Weitere Informationen
Jamala aus der Ukraine hält den ESC-Pokal und eine Flagge in die Höhe. © dpa - Bildfunk Foto: Maja Suslin

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Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 13.05.2017 | 21:00 Uhr

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