Stand: 04.05.2015 10:22 Uhr

Schöpfer der ESC-Minipop-Icons: Ben Morris

Der britische Illustrator Ben Morris sitzt vor einem Brunnen in Kopenhagen © Ben Morris
Illustrator Ben Morris, hier zu sehen in Kopenhagen, liebt den ESC.

Er illustriert Buchcover, Zeichentrick-Sendungen für die BBC und ist international bekannt als Schöpfer kultiger Mini-Icons von Eurovision-Künstlern: Ben Morris. Der 44-jährige Brite aus Notthingham lebt seit 23 Jahren in Edinburgh und liebt schon viele Jahre den ESC. 1995 war er zum ersten Mal live dabei. Es war auch das Jahr, in dem er mit dem Entwerfen der Mini-Icons begann - witzige, gezeichnete Bildchen der ESC-Teilnehmer. Dieses Mal natürlich auch bei seinen kleinen Kunstwerken dabei: die deutsche Song-Contest-Kandidatin Ann Sophie.

Ben, wie hast du deine Liebe zum Zeichnen entdeckt?

Ben Morris: Ich habe als Kind schon gerne gezeichnet. Ich glaube, die Illustrationen, die mich am meisten inspiriert haben, waren die von "Doctor Who" im "Radio Times Magazine" in den 70er-Jahren. Das ist vor rund 90 Jahren gegründet worden und ist das wichtigste Stadtmagazin in Großbritannien. Es hat eine starke Tradition der Illustration gepflegt und da es so eine große Inspiration für mich war, ist es eine Ehre für mich, jetzt für sie zeichnen zu dürfen. Ich habe eine "Doctor Who"-Illustration für ihre letzte Weihnachtsausgabe geliefert, das war aufregend. Die gleichnamige TV-Serie war auch meine Lieblingsserie, daraus besteht sogar der Löwenanteil meiner Arbeit. Wenn ich doch nur in der Zeit zurückreisen und meinem sechsjährigen Ich erzählen könnte, dass ich eines Tages hiervon leben werde! Ich zeichne jeden Monat für das "Doctor Who"-Magazin und habe auch ein paar "Doctor Who"-Bücher bebildert.

Wann bist du Fan des Eurovision Song Contest geworden?

Morris: Meine erste deutliche Erinnerung an den Song Contest beginnt 1977. Irgendetwas daran hat mich fasziniert. Ich habe schöne Erinnerungen daran, die Sendung mit meiner Großmutter zu gucken, aber ich glaube, es waren meine Eltern, die mir das zuerst gezeigt haben. Ich liebe den ESC seitdem. Zum ersten Mal live dabei war ich 1995 in Dublin und dann im Folgejahr in Oslo. Danach gab es eine lange Pause bis 2010. Danach habe ich kein Finale mehr verpasst.

Du darfst manchmal als Juror für eine ESC-Sendung fungieren, wo?

Morris: Ja, in einem Podcast von Ewan Spence. Jedes Jahr im April bin ich bei seiner inoffiziellen Eurovision-Podcast-Sendung als Gast-Juror dabei. Wir kriegen immer ein paar Songs des aktuellen Jahrgangs und teilen die in Hit, Miss, oder Maybe (deutsch: Top, Flop, Wackelkandidat) ein.

Du hast 2011 mit dem Zeichnen der Mini-Icons begonnen. Seither haben sie Kultstatus entwickelt. Gibt es Pläne, sie offiziell über die EBU zu integrieren?

Der britische Illustrator Ben Morris mit der Sängerin Bonnie Tyler © Ben Morris
Die Icons gibts nicht nur auf Papier: Der Illustrator Ben Morris (links) mit der Sängerin Bonnie Tyler und dem Icon der Britin auf dem T-Shirt.

Morris: Nein. Die Leute vom offiziellen Merchandising hatten anfangs Interesse, wie auch das Eurovision Reference Comittee - das hat sich aber zerschlagen. Also habe ich einfach als Fanprojekt weitergemacht. Die Reaktion der Fans ist immer wunderbar gewesen, ich habe mich sehr über ihren Enthusiasmus gefreut. Auch die BBC hat Interesse gezeigt, die Icons in der Halbfinal-Berichterstattung zu benutzen. So haben sie 2013 mein Icon von Bonnie Tyler für ihre Grafiken und ihre Requisiten genutzt.

Wie sehr haben die Mini-Icons dein Leben verändert?

Morris: Seitdem bin ich jeden März und April sehr, sehr beschäftigt! Meistens stelle ich bei meiner Ankunft im Mai in der jeweiligen Finalstadt fest, dass ich vollkommen ausgelaugt bin, weil ich seit fünf Monaten pausenlos durchgearbeitet habe. Bevor ich an den Icons und dem damit verbundenen Drumherum arbeite, habe ich den ganzen Herbst und Winter an Buch-Illustrationen gesessen. Ich liebe es, die Icons zu zeichnen und ich habe vor, das noch viele, viele Jahre zu machen.

Hat sich der Zeichenprozess seit 2011 auch verändert?

Morris: Über die Jahre versuche ich, die Gesichtszüge und Ausdrücke der Sänger genauer zu zeichnen. Am Anfang waren die Ausdrücke noch nicht so verfeinert. Bevor ich mit einem Icon beginne, fische ich im Netz nach entsprechenden Fotos des Künstlers und mache viele Screenshots von den jeweiligen nationalen Finalsendungen. Normalerweise gestalte ich gerne die dazu passende Kleidung vom nationalen Finale.

Wie fallen die Reaktionen der jeweiligen Künstler auf ihre Icons aus?

Morris: Die waren immer positiv, zum Glück. Die schönste Reaktion kam 2012 von der niederländischen Teilnehmerin Joan Franka. Sie war so glücklich darüber und hat mich gefragt, ob sie das Icon für die Wochen vor dem Halbfinalauftritt nutzen darf. Das war dann auf Kuchen bei Empfängen abgebildet und auf Flaggen für eine Radiosendung und auf CD-Samplern. Und der Malteser Gianluca hat mich auf der Londoner Eurovision-Preview-Party getroffen und mir gesagt, wie toll er seinen Icon findet. Das war sehr nett.

Welche Icons waren 2015 am schwersten zu zeichnen?

Morris: Die Armenier von Genealogy. Sie waren der letzte Act - und es stehen sechs Leute auf der Bühne! Ich war darauf erpicht, das Projekt Mini-Icons abzuschließen, daher habe ich ihre Körper mit nur wenigen Details versehen. Sie tragen eh alle nur Schwarz, daher habe ich gehofft, dass niemand das merkt. Belgien mit Loïc Nottet war auch schwer, weil es wenige Fotovorlagen vom Sänger gab. Ich hoffe, ich habe ihn nicht zu alt aussehen lassen. Ich habe es besonders genossen, die Icons für Schweden und Großbritannien zu zeichnen. Der Song der Briten von Electro Velvet ist erfrischend und macht Spaß. Bei ihnen habe ich die Backgroundsänger in ihren Flatterkleidern hinzugefügt, obwohl sie streng genommen nicht zur Band gehören, weil ihre Kleider den Retro-Aspekt der 1920er Jahre verstärken. Ich mochte auch die Herausforderung, das schwedische Strichmännchen von Måns Zelmerlöw vom Melodifestivalen zu zeichen. Es musste dem Original ähneln, aber zu meiner Technik der Icons mit dreieckigem Körper, schwebendem Kopf und "Eiffelturm-Beinen" passen.

Du hast Ann Sophie in Schwarz-Weiß gezeichnet, statt in ihrem roten Hosenanzug. Warum? Und was hälst du vom Song "Black Smoke"?

Die deutsche ESC-teilnehmerin Ann Sophie als Mini-Icon des Illustrators Ben Morris © Ben Morris Illustration
Ben Morris findet, Ann Sophie wirkt im schwarz-weißen Outfit vom Vorentscheid selbstsicher.

Morris: Ich mag Ann Sophies Auftritt richtig gern. Ich habe sie bei der London Eurovision Party live gesehen - und ihre Stimme war unglaublich! Echt kraftvoll. Wo auch immer es möglich ist, zeichne ich die Teilnehmer so, wie sie bei ihrem nationalen Finale aussahen, daher trägt Ann Sophe das schwarz-weiße Outfit. Außerdem haben ein paar andere Icons rote Kleider an, daher dachte ich, so sticht sie mehr heraus. Ich finde das Outfit gut - sie sieht darin aus, wie ein selbstsicherer Kandidat, der aus dem Bewerbungsraum von "The Apprentice" kommt. Das ist hier in Großbritannien eine populäre Casting-Show (bei der sich aufstrebende Businessleute bei einem Magnaten um einen höchst dotierten Posten bewerben, Anm. d. Red.)!

Konzertbericht
Ann Sophie bekommt auf der Bühne von Eurovision in Concert im Café de Paris in London ihr Porträtbild überreicht © Mairena Torres Schuster/ NDR Foto: Mairena Torres Schuster

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Auf welchen Auftritt freust du dich am meisten in Wien?

Morris: Ich bin gespannt darauf, wie die Briten das Skurrile aus ihrem Video auf der Final-Bühne umsetzen. Ich mag vor allem die neon-bemalten Tänzer - vier von ihnen auf der Bühne wären gut! Sie hatten auf der Bühne bei London Eurovision die beste Chemie. Hoffenltich bauen sie darauf auf und verstärken diese in Wien.

Wie findest du es eigentlich, dass Australien einmalig am Wettbewerb teilnehmen darf?

Morris: Ich liebe Guy Sebastians Lied "Tonight Again" und glaube, der hat gute Karten für einen Sieg (ich habe sogar auf ihn gewettet). Es ist eine lustige Idee, Australien dieses Jahr teilnehmen zu lassen. Ich weiß aber nicht so recht, wie ich das fände, wenn die Ausnahme zur Gewohnheit wird, so mit festem Finalplatz, da das den anderen Halbfinalteilnehmern gegenüber nicht so fair erscheint. Aber lass uns nicht zu weit nach vorne blicken, sondern einfach in Wien die 60-Jahre-Party vom Song Contest genießen!

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 23.05.2015 | 21:00 Uhr

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