Stand: 10.05.2014 00:46 Uhr

Twin Twin: "Wir machen uns Sorgen um Europa"

Die Twin Twins im Gespräch mit Irving Wolther in Kopenhagen © NDR/Irving Wolther
Twin Twin wollen mit ihrem Song auf den Konsumzwang der Gesellschaft aufmerksam machen.

Gar nicht so einfach, die drei Teilnehmer Frankreichs vor's Mikrofon zu bekommen: Kaum ein Act in Kopenhagen war bei der Presse so heiß begehrt wie die quirligen Jungs von Twin Twin. Im Interview beweisen Laurent, Pascal und Patrick, dass ihr Titel "Moustache" alles andere als ein Nonsens-Song ist.

Laurent, Pascal, ihr habt eure Gruppe Twin Twin genannt, weil ihr beide Zwillinge seid. Wenn man euch so sieht, käme man nicht unbedingt darauf. Wann habt ihr angefangen, euch so unterschiedlich zu stylen?

Laurent Idir: Schon als wir klein waren sahen wir sehr unterschiedlich aus. Ich hatte Locken, die Haare meines Bruders dagegen waren ganz glatt. Immer wenn wir im Ferienlager waren, wetteten wir mit den anderen Jungs um zehn Francs, dass wir Zwillinge sind, denn niemand kaufte uns das ab. So bekamen wir für die Zeit im Ferienlager immer ein ordentliches Taschengeld zusammen.

Pascal Djemel: Wir sahen uns nie wirklich ähnlich, denn wir sind zweieiige Zwillinge.

Laurent: Was das Styling angeht, spielte das für uns schon immer eine sehr große Rolle. Wir kommen ja aus einem Vorort, und als wir nach Paris gingen, um dort mit einer eigenen Gruppe aufzutreten, lernten wir junge Modeschöpfer wie Andrea Cruz kennen, die Second-Hand-Kleidung recyceln und daraus coole Klamotten herstellen. Sie haben eine ganz neue Sicht auf die Mode entwickelt. Mode ist nichts Elitäres, sondern ein Mittel, sich der Welt zu präsentieren und seine Identität zum Ausdruck zu bringen. Sie ist für uns neben der Musik ein weiteres Mittel, um Geschichten zu erzählen.

VIDEO: Frankreich/Twin Twin: "Moustache" (3 Min)

Patrick, Ihr Nachname Biyik bedeutet auf Türkisch "Schnurrbart", also "Moustache". Wussten Sie das?

Patrick Biyik: Klar. Als ich noch zur Schule ging, kam meine große Schwester eines Tages nach Hause und fragte mich: "Patrick, weißt du eigentlich, was unser Familienname bedeutet?" Sie hatte einen türkischen Klassenkameraden, der ihr verraten hatte, was der Name in seiner Sprache bedeutet. Ich heiße also eigentlich Patrick Moustache, und ich hoffe, dass uns das am Samstagabend beim großen Finale Glück bringen wird.

Der Titel "Moustache" handelt ja von der Konsumgesellschaft und Menschen, die niemals zufriedenzustellen sind. Inwiefern ist der Song ein Spiegel der aktuellen französischen Gesellschaft?

Pascal: (zwinkert) Glauben Sie, das ist so?

Laurent: Frankreich erlebt tatsächlich gerade schwierige Zeiten. Das wird aber gewiss nicht von Dauer sein. Und wir sehen es als unsere Aufgabe an, etwas dagegen zu unternehmen. "Moustache" ist auf den ersten Blick ein Partysong, aber der Text erzählt etwas über unsere Welt, in der letztlich sehr viel Gewalt dadurch entsteht, dass wir unter ständigem Konsumzwang stehen. Die Menschen werden dadurch unglücklich - also durchaus keine positive Sache. Wir wollten dieses ernste Thema witzig verpacken und hoffen, dass es auch als Satire verstanden wird.

Sie stammen aus einer algerischen Familie. Bald sind Europawahlen und in Frankreich könnte der rechtsextreme Front National seine Stellung weiter ausbauen. Machen Sie sich Sorgen um ihr Land?

Laurent: Wir machen uns insgesamt Sorgen um Europa - natürlich auch um Frankreich. Doch diese Entwicklungen sind nichts anderes als ein Kollateralschaden der Dinge, die sich weltweit abspielen. Wir müssen abwarten, ob Frankreich sich von der Krise erholt und gestärkt aus dem Ganzen hervorgeht oder ob das Land den Bach runter geht …

Pascal: Wir hoffen natürlich, dass das nicht passiert. Wenn man in die Vergangenheit schaut, sieht man immer wieder, dass Wirtschaftskrisen populistische Strömungen auslösen. Hoffentlich wird sich diese Entwicklung nicht weiter verschärfen.

In Ihrem Videoclip sind Sie Kandidaten in einer etwas altbackenen Show. Eine Anspielung auf die Sendung "Les chansons d'abord", in der Ihr Song zum französischen ESC-Beitrag gewählt wurde?

Laurent: (lacht) Nein, nein… Es geht mehr um Gewinnspielsendungen wie "Der Preis ist heiß", wo man erraten musste, wie viel ein bestimmtes Produkt kostet. In Frankreich lief das Ganze unter dem Namen "Le juste prix".

Patrick: Ich kann mich bei Cyril Féraud und Natasha St-Pier von "Les chansons d'abord" nur bedanken, weil sie uns von Anfang an unterstützt haben. Es macht super viel Spaß und wir sind mit dem Rest der französischen Delegation eine echt eingeschworene Gemeinschaft - ein junges Team, das wirklich Bock auf die Sache hier hat und Frankreich so gut wie möglich vertreten will.

An die Modefreaks eine Frage zum Abschluss: Wird der Schnurrbart zum neuen Sommertrend?

Laurent: Aber Hallo!

Das Gespräch führte Dr. Irving Wolther.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 10.05.2014 | 21:00 Uhr