Stand: 28.08.2009 14:36 Uhr

Elisabeth Andreassen: "Es ist eine fantastische Erinnerung"

Sie gilt als die Grand-Prix-Königin: Die Norwegerin Elisabeth Andreassen alias Bettan hat vier Mal am Eurovision Song Contest teilgenommen und 1985 mit dem Duo Bobbysocks triumphiert. Indirekt hat sie dem Gewinner aus Moskau mit zum Sieg verholfen: Im Interview vom 28. August 2009 spricht sie mit eurovision.de über Alexander Ryback, ihren Sieg in Göteborg und Oslo 2010.

eurovision.de: Zunächst einmal Gratulation zum dritten Sieg Norwegens beim ESC! Woher kannten Sie Alexander Ryback vor dem Grand Prix?

Andreassen: Vielen Dank, wir sind sehr stolz auf den ersten Platz! Ich kannte Alexander aus einem Musikwettbewerb beim norwegischen Fernsehen und war auch im Musical "Fiddler On The Roof", wo er die Hauptrolle spielte. Ich erkannte sein großes Talent, fragte ihn, ob er mit mir auf Tour gehen würde. Ich hatte nämlich gerade die Aufnahmen für mein Studioalbum (Anm. d. Red.: Spellemann) mit schwedischem und norwegischem Folk abgeschlossen und brauchte noch einen Geiger für die Tour.

Als ich ihn anrief, sagte er zu und verriet mir, dass er am Grand Prix teilnehmen werde, was damals noch geheim war. "Super", sagte ich, und wir vereinbarten eine Tour für März 2009. Natürlich konnte niemand ahnen, was Ryback für einen Riesenerfolg beim Melodi Grand Prix haben würde, und so wurde unsere Tour nach dem Vorentscheid der Wahnsinn. Wir spielten Songs aus meinem Album, er einige Solosongs und Teile aus dem "Fiddler on the Roof", dann ein Eurovisionsmedley und zum Schluss "Fairytale". Es war wunderbar.

eurovision.de: War Ryback in Moskau auch deshalb so erfolgreich, weil er durch seine Wurzeln (weissrussische und norwegische) Ost und West vereinen konnte?

Andreassen: Alexander ist so ein großes Talent, dass er immer gewinnen würde, egal, was für Wurzeln er hat. Er bringt so eine unglaubliche Energie mit, diesen guten Song und sein Talent, dass er immer faszinieren wird. Die zwei Nationalitäten sind ein Bonus, der für die Presse eine gute Geschichte abwirft. Aber erst das Ganze macht seinen Riesenerfolg aus, er hat einen guten Sinn für Humor und ist ehrgeizig und zielgerichtet, weiß genau, was er möchte. Mit ihm zu arbeiten ist wunderbar, wir harmonieren gut und entwickeln viel Energie auf der Bühne. Er hat eine Wahnsinnszukunft vor sich.

eurovision.de: Stichwort Energie: Bei Ihrem Sieg 1985 hatte Ihr Komponist Ihnen und Hanna Krogh von Bobbysocks empfohlen, vor Ihrem Auftritt beim Grand Prix in Göteborg irgendwo aufzutreten, um sich einzustimmen. Wo war das?

Andreassen: Ich bin damals den ganzen Mai jeden Abend in einem Club aufgetreten, der etwa 900 Leute fasst. Wir sind dort vor unserem Grand-Prix-Auftritt aufgetreten und ich habe meiner Band gesagt: Ob wir gewinnen oder nicht, heute Abend treten wir nach der Show wieder hier auf. Wir wollten natürlich gewinnen, glaubten aber nicht so recht daran. Sie kennen ja die Geschichte. Als wir den ersten Platz gewannen, sagte ich nach der Siegerpressekonferenz, es täte mir leid, aber ich müsse heute noch woanders auftreten, jeder sei herzlich willkommen. Und so kam die Hälfte der europäischen Presse mit in den Club, da war es schon weit nach Mitternacht. Als wir zum Abschluss des überfüllten Konzerts noch mit Hanna Krogh "La det Swinge" sangen, ging der Saal durch die Decke.

eurovision.de: Was hat der Sieg für Ihre Karriere bedeutet?

Andreassen: Es ist eine fantastische Erinnerung und bereitet mir heute noch Freude. Er hat mein Leben bereichert. Ich bin so vielen tollen Menschen begegnet und konnte mir danach aussuchen, was ich weiter machen möchte. Gewinnen ist zwar wichtig, aber es kann auch nach hinten losgehen, wenn man danach nicht weiter weiß. Man muss etwas haben, das man dem Publikum geben kann. Wenn du das nicht hast, kannst du eine künstlerische Karriere vergessen.

eurovision.de: Nun wird der nächste ESC in Oslo ausgerichtet, das dritte Mal in Norwegen und das zweite Mal in Oslo in der ESC-Geschichte.

Andreassen: Es ist fantastisch, Gastgeber zu sein. Es war 1996 schön, dass wir als Gastgeber den ersten Platz an Irland vergeben konnten und selber den zweiten Platz erreichten.

eurovision.de: Sie sind derzeit im Studio, woran arbeiten Sie?

Andreassen: Mit dem Tenor Rein Alexander nehmen wir gerade ein Weihnachtsalbum auf. Alexander singt Klassik, Oper und hat eine tolle Erscheinung und eine tolle Stimme. Wir touren zu Weihnachten immer durch Kirchen, eine Tradition, die wir beibehalten möchten.

eurovision.de: Werden Sie in Skandinavien trotz Ihrer Vielseitigkeit - zuletzt haben Sie bei einem Tanzwettbewerb einen vierten Platz errungen - auf den Grand Prix reduziert?

Andreassen: Nein. Zudem bereue ich nichts von dem, was ich je gemacht habe. Alles, was man macht, ist wichtig. Sogar Verlieren ist manchmal wichtig, man muss auch das erleben. Ich habe so eine lange Karriere hinter mir und feiere nächstes Jahr mein 30. Bühnenjubiläum. Ich liebe alle meine Eurovisionssongs, genauso wie mein Publikum. Wenn man am Grand Prix teilnehmen möchte, sollte man einen wirklich guten Song mitnehmen. Man muss damit nämlich den Rest seines Lebens leben können.

eurovision.de: Wie werden Sie Ihr 30. Bühnenjubiläum feiern und wie fällt es mit dem ESC in Oslo zusammen?

Andreassen: Wie genau die ESC-Show in Oslo aussehen wird, wissen wir noch nicht, das ist noch in Arbeit. Hanne Krogh und ich bereiten zunächst unser 25. Siegesjubiläum mit einer Tour der Bobbysocks vor. Wir werden irgendwie bei der TV-Show des ESC mitwirken, zu der es eine eigene CD geben wird. Norwegen feiert nächstes Jahr schließlich 50 Jahre Zugehörigkeit am Grand Prix. Sie sehen: Es gibt viele Jubiläen zu feiern.

eurovision.de: Deutschland wird mit dem Multitalent Stefan Raab, dem NDR und Pro 7 einen Talent-Wettbewerb für die nächsten Kandidaten für Oslo 2010 starten.

Andreassen: Die Casting-Show ist eine gute Idee. Ich komme gerne vorbei und singe!

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 04.05.1985 | 21:00 Uhr

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