Stand: 21.02.2017 15:51 Uhr

Feddersens Kommentar: Schweiz hat Chance verdient

Siegerin des ersten Grand Prix Eurovision, Lys Assia. © Cariblue music & publishing GbR, Musikproduktion und Verlag Foto: Michael Dierks
Goldene Zeiten: Lys Assia gewann für die Schweiz den ersten Grand Prix Eurovision.

Ja, es ist ja wahr: Die Schweiz hat viele Meriten beim Eurovision Song Contest auf ihrem Konto. Die erste Siegerin war die Eidgenössin Lys Assia. Die auch bei uns sehr promient gewordene Paola del Medico war zweimal dabei, 1969 und 1980. Nicht zu vergessen: Mit einigen schönen Liedern hat das kleine Land sich in die Ruhmeshalle der Eurovision eingeschrieben, wie etwa mit Patrick Juvet 1973 oder mit der Fülle an Beiträgen von Peter, Sue & Marc (1971 bis 1981) und auch Daniela Simon 1986 sowie Sandra Simó mit ihrem Auftritt 1991 müssen erwähnt werden.

Allerdings ist alles sehr lange her. Die letzten nennenswerteren Erfolge liegen lange zurück, etwa die aus Estland importierte Mädchengang Vanilla Ninja, die 2005 auf dem achten Platz landete, oder auch 1993 die Kanadierin Annie Cotton, die "Moi, tout simplement" auf einen dritten Platz hievte. Rechnet man noch die zweite Siegerin für die Schweiz dazu, 1988 war dies die Kanadierin Céline Dion, darf man bilanzieren: Die Vorderplatziertesten für die Schweiz kamen fast immer aus Gegenden, die nicht zur Eidgenossenschaft zählen.

Schweiz holte sich oft ausländische Hilfe

Miruna Manescu, Sängerin von Timebelle © SRF/Mirco Rederlechner Foto: Mirco Rederlechner
Die Band Timebelle um Sängerin Miruna Manescu vertritt die Schweiz in Kiew.

In den vergangenen zwei Jahren hat die Schweiz zweifach den allerletzten Platz belegt: Das ist in diesem Land zwischen Boden- und Genfer See nicht gerade stimmungsaufhellend gewesen. Jetzt aber der diesjährig Qualifizierten ein schlechtes Zeugnis auszustellen, ist gemein. Timebelle heißt die Formation, sie gewann die Fahrkarte nach Kiew. Und sie, die Sängerin Miruna Manescu und Emanuel Daniel Andriescu, werden gut abschneiden. Es ist ihnen zu wünschen.

Man kreide ihnen nicht an, dass ihr Lied "Apollo" zweitverwertet wird, denn es war schon einmal in einer aserbaidschanischen Vorentscheidung im Rennen, zog aber den Kürzeren. Es wurde nie veröffentlicht, deshalb durfte es überhaupt nochmals in einen Wettbewerb. Die Sängerin singt zwar nicht perfekt, dafür aber wird sie Sympathien ernten. Denn der ESC ist ja kein Aufnahmewettbewerb für eine klassische Stimmschule, sondern ein Pop-Event, das von der Ausstrahlung der Sängerin lebt. Und die hat sie, die gebürtige Rumänin, in jeder Hinsicht.

Ihr Lied ist eingängig, es verheddert sich nicht in komplizierten Tonfolgen, es will nichts als gefällig aufscheinen im Meer der anspruchsvollen Beiträge beim 62. Eurovision Song Contest in der Ukraine. Und noch etwas spricht für dieses schweizerische Lied oder besser für die Sängerin: Sie sieht nicht aus, als müsste man ihr dringend beim Interview einen stärkenden Keks anbieten. Nein, Miruna Manescu ist ehrgeizig, sie hat ein hübsches Timbre in den Vokalisen, sie weiß einzunehmen.

Ein Herz für Miruna Manescu

Ich bin unbedingt für die Schweiz, aber das muss ich gar nicht sein, denn sie werden es auch mit der Kraft der bis jetzt schweigenden ESC-Fans und ihrer Freunde ins Finale schaffen. Es ist überhaupt eine Unsitte unter Prognostikern auf Basis von Vorentscheiden auch nur irgendein Lied in die Tonne zu treten. In Wahrheit zählt das, was in Kiew dargeboten wird. Vertrauen wir also dem Act dieses Landes, das endlich mal wieder eine Top-Ten-Platzierung braucht, um sich wieder im eurovisionären Europa wohler zu fühlen. Sie wird es packen - with a little help from all her friends!

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 13.05.2017 | 21:00 Uhr

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