Stand: 23.12.2013 11:47 Uhr

Konventionelle Wahl in Kiew

Maria Yaremchuk gewinnt den ESC-Vorentscheid der Ukraine
Maria Yaremchuk gewinnt den Vorentscheid der Ukraine.

Dass am Ende Maria Yaremchuk mit ihrem Titel “Tick-Tock” gewann, war das am stärksten zu Erwartende bei dieser ukrainische Vorentscheidung für den ESC in Kopenhagen. Die junge Frau sieht aus, wie man sich in den allerödesten Klischees eine aufstiegs- und schönheitsbewusste junge Frau aus dieser europäischen Gegend so vorstellt. Immerhin: Bei ihr waren keine üblen Botoxunglücke zu erkennen - Maria Yaremchuk wirkte so wohlgestylt und darstellerisch so konfektioniert, dass es gar nicht anders ging.

Allein: Dieser Show fehlte der Esprit in jeder Hinsicht. 20 Acts und niemand wollte allein auf der Bühne stehen. Alles auf Englisch, von den sogenannten Green-Room-Interviews abgesehen. Es hatte den Charme moldauer oder albanischer Vorentscheidungen früherer Jahre, bloß mit etwas mehr Geld für das Bühnenbild. Die Lieder entsprachen ausnahmslos nicht dem Wunsch, der etwa in Norwegen oder in Dänemark schon im Frühsommer geäußert wurde: Dass die musikalische Qualität besser werde. Nein, das konnte man von dieser Veranstaltung in Kiew nun wirklich nicht sagen.

Ich fragte mich natürlich: Wer in Gottes Namen guckt diese Vorentscheidung eigentlich – sie war auf die Mittagszeit terminiert. Geht in der Ukraine niemand um diese Zeit einkaufen, flanieren, Kaffee oder Tee trinken in Bistros, Cafés oder vielleicht sogar lunchen in Restaurants? Weshalb war diese erste der öffentlichen Vorentscheidungsshows gehalten, als gelte es, sie irgendwo im Programm zu verstecken?

“Tick-Tock” war offenbar der ästhetische Minimalkonsens aller Lieder - wobei wir als Publikum nicht erfuhren, ob die Jury anders wertete als die Televoter. Überhaupt gab es keine offene Wertung. Ärgerlich und unnötig - ein ESC auch in seinen Vorentscheidungen lebt doch zwingend davon, dass die Wertungen inszeniert, ja, zelebriert werden und nicht das Resultat einfach verkündet wird. Jede richterliche Beratung vor irgendeinem Gericht wirkt, schon durch die Urteilsverlesung hernach, transparenter und einsichtsfähiger als dieses Verfahren.

Es mag daran liegen, dass ich die zeitgenössischen Strömungen in der ukrainischen Unterhaltungsmusik nicht en détail kenne, aber diese Show signalisierte, dass alles unter der ukrainischen Sonne so ist wie immer: Langbeinige, stark geschminkte und sehnsuchtsvoll blickende Frauen tummeln sich an Mikrofonen. Männer, die wie dünne Puppen aussehen (bis auf eine pummelige Ausnahme), von denen eine sogar bärtig daher kam. Das war alles wie immer.

Wenn ich richtig zugehört habe, dann wurde der Name Ruslana ein einziges Mal erwähnt. Sie, die aktuell auf dem Maidanplatz Abend für Abend die ukrainische Nationalhymne zugunsten der europäisch gesinnten Protestierenden singt, hat keine Nachfolgerin gefunden, weder künstlerisch noch im Hinblick auf das Bewusstsein, dass der ESC kein Starlet-Wettbewerb ist, sondern eine europäische Manifestation immer auch. Maria Yaremchuk singt ein gefälliges, simples, eher rinnsaldünnes Lied: Sie wird in Kopenhagen ihre Fans finden.

 

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 10.05.2014 | 21:00 Uhr