Cher singt Abba: Mitunter wie Karaoke

Trotz ihres Sieges beim beim ESC 1974 in Brighton wurden Abba zunächst als One-Hit-Wonder belächelt. Eine grobe Fehleinschätzung.
Abbas Musik musste sich schon 1974, beim ESC-Sieg in Brighton, vorwerfen lassen, allzu gefällig zu sein. "Waterloo", der Titel, mit dem die Weltkarriere beim Eurovisionsfestival begann, galt als Bubblegum-Nummer, deren Interpreten ein Jahr darauf vergessen sein würden.
Das hatte sich schon 1975 erledigt und als Fehlwahrnehmung erwiesen. Etliche Alben später, bis zur Auflösung der Gruppe Anfang der 80er-Jahre, erst recht: Abba waren da längst zu einem der größten Pop-Acts überhaupt geworden.
Abba bewegt immer noch viele Menschen
Dass Abba immer noch Menschen bewegt, beweist nicht nur ein Filmchen, das der SWR am 20. Juli dieses Jahres in seinem Regionalprogramm unter dem Titel "Abba lebt! Ein Leben als Anni-Frid-Double" sendete, auch der Beitrag im Bayerischen Fernsehen unter der Überschrift "Abba-Seligkeit im Deutschen Theater" in München beweist: Diese zwei Schwedinnen und diese zwei Schweden sind unvergesslich. Abba ist immer noch im Bewusstsein eines Millionenpublikums stark präsent.
Cher – eine Dancing Queen?

Mit über 70 Jahren hat Cher noch immer nicht genug. Mit dem Abba-Album "Dancing Queen" hat sie sich und ihre Sangeskünste noch einmal herausgefordert.
Das muss sich auch die US-Bühnenikone Cher gedacht haben, als feststand, dass sie in der Fortsetzungsverfilmung von "Mamma Mia!" eine kleine Rolle übernehmen würde: Cher, unentwegt auf Tour und sich trotz ihrer mehr als 70 Lenze dabei offenkundig fit haltend, ließ sich überreden, zehn Songs von Abba zu interpretieren. Ihr Album ist nun auch in Deutschland erhältlich, Titel "Dancing Queen".
Um ihr die Ehre zu geben, das Projekt der Neuinterpretation zu erläutern: Sie sagte, "nach dem Film 'Mamma Mia!' wurde ich wieder einmal daran erinnert, welch großartigen und zeitlosen Lieder die Männer von Abba schrieben. Ich dachte: Warum sollte ich nicht ein Album daraus machen - mein Abba-Album? Am Ende weiß ich, dass die Lieder viel schwerer zu singen sind, als ich selbst vorher dachte."
Ja, das muss lehrreich gewesen sein. Und wie recht sie hat! Alles klingt wie Cher, wie die Frau mit der Stimme, die "Believe", "I've Got You, Babe" und "Love And Understanding" zu kostbaren Tonperlen gemacht hat. Ihre Abba-Songs aber besagen nur dies: schöner Versuch insgesamt, einzelne Titel besser als andere, aber bei "Dancing Queen" und "Waterloo" reicht Cher nicht an die Vokalarbeiten von Agnetha und Frida heran. Auch "Fernando", "Chiquitita", "SOS" und "Mamma Mia" erreichen nicht das Funkeln der Originale.
Filigrane Produktion? Fehlanzeige!
Der ESC-Siegertitel hört sich bei Cher wirklich wie ein karaokehafter Versuch einer hochbegabten Stimme an, die es mit einem magischen Stimmarrangement aufnimmt - vergebens. Allenfalls "One Of Us" hat die traurig stimmende Qualität der Abba-Frauen in stimmlicher Hinsicht. Der Sound selbst ist abbaesk gehalten, aber auch dabei wird deutlich, welche filigranen Kompositionen Benny Andersson und Björn Ulvaeus erarbeitet und mit Abba zu Tonspuren für die Ewigkeit gefertigt haben. Chers Produktion fällt dagegen fast als flach auf.
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Benny Andersson (l.) und Björn Ulvaeus (r.) hatten sich im Sommer 1966 kennengelernt, etwa zwei Jahre später begegneten sie ihren späteren Frauen Anni-Frid Lyngstad (l.) und Agnetha Fältskog (r.).
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Agnetha (2.v.l.) war schon seit 1968 in Schweden als Sängerin und Komponistin erfolgreich, vor allem in der Schlagermusik. Die gebürtige Norwegerin Anni-Frid (3.v.l.) hatte als Jazz- und Folk-Sängerin von sich Reden gemacht.
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Den ersten gemeinsamen Song "Ring Ring" veröffentlichte das Quartett 1973 und nahm damit am schwedischen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest teil. Die Jury zeigte sich jedoch noch skeptisch und ließ dem Männerduo The Nova den Vortritt.
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Ein Jahr später bekamen Abba dann doch die Chance zum ESC in Brighton zu fahren - und nutzten sie. Mit "Waterloo", und in sehr schrägen Bühnenoutfits, holte die Band mit großem Vorsprung den Sieg.
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Komponiert hatten Benny und Björn den Song, gesungen wurde er von Anni-Frid (l.) und Agnetha.
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Mit dem Titel gelang Abba der internationale Durchbruch: "Waterloo" stürmte in die europäischen Hitparaden, sogar in den USA wurde es ein Top-Ten-Hit.
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Von nun an ging es für die vier Schweden bergauf: Sie veröffentlichten Hits wie "S.O.S." (1975), "Fernando" (1976) oder "Knowing Me Knowing You" (1977) - um nur einige wenige zu nennen.
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Sehr erfolgreich war auch "Mamma Mia", ein Nummer-1-Hit in Großbritannien - und Australien, wo die Single 1975 zuerst veröffentlicht wurde. Inzwischen sind nach dem Song ein Musical und ein Kinofilm benannt worden, in denen zahlreiche weitere Abba-Hits zu hören sind.
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Wegen der oft aufwendigen Musikproduktionen galten Abba Mitte der 70er für viele als die Mitbegründer einer neuen internationalen Popmusik.
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Björn, Agnetha, Anni-Frid und Benny tourten um die Welt und hatten zahlreiche Auftritte in Australien und Europa - unter anderem in Deutschland.
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In der ZDF-Sendung "disco", die von Ilja Richter produziert und präsentiert wurde, traten Abba in den 70ern gleich mehrfach auf.
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Und auch Moderator Rudi Carrell lud die vier Schweden in seine Fernsehshow "Am laufenden Band" ein.
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Das Quartett folgte der Einladung und präsentierte sich - zumindest was die Outfits anging - als besonders tierlieb.
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Während einer Tournee durch Europa und Australien begannen die Arbeiten an einem ersten Film über die Band. Im Dezember feierte " Abba - The Movie" Premiere.
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Die Band hatte inzwischen einen solchen Kultstatus erlangt, dass die Firma Matchbox sogar Abba-Puppen produzieren ließ.
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Für ihre Erfolge wurden Abba mit etlichen Preisen ausgezeichnet. Nach einem Konzert im Februar 1977 in Hamburg erhielten sie gleich vier Goldene Schallplatten - praktisch eine für jedes Bandmitglied.
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Ein kleiner Schatten legte sich 1979 über die Band, als Björn und Agnetha ihre Scheidung bekanntgaben: Das Image der beiden glücklichen musizierenden Paare war damit dahin. Die Bandkarriere ging jedoch erst einmal weiter.
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Die vier Schweden tourten im März 1980 sogar durch das ferne Japan. Wie sich später herausstellen sollte, waren dies aber auch die letzten Livekonzerte.
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Als Anfang 1981 auch Benny und Frida ihre Scheidung verkündeten, war das "Heile Welt"-Image vollends zerstört. Die Band trat noch weiter auf - etwa in der US-Talkshow von Dick Cavett. 1982 lösten sich Abba dann jedoch auf.
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Bis heute verkauften Abba weltweit mehr als 350 Millionen Tonträger. Damit gehört die Band zu den kommerziell erfolgreichsten Gruppen der jüngeren Musikgeschichte.
Schade, möchte man sagen. Andererseits ist es so: Abbas Lieder laden zum Mittanzen und Mitsingen ein - und jeder, der dies versucht, merkt schnell, wie schwierig das ist. Cher hat sich verhoben. In dem im Sommer in Deutschland veröffentlichten Film ist sie ein Hingucker sondergleichen. Das Album ist nur etwas für echte Cher-Liebhaber.
