Stand: 14.03.2008 11:26 Uhr

Finnland: Europäische Tango-Nation

Ein Sommerhaus am See © Visitfinland Imagebank/Patrick Bertrand © Visitfinland Imagebank Foto: Patrick Bertrand
Besonders schön im Sommer: Finnland hat Tausende Seen.

Die Geschichte der finnischen Musik ist zugleich eine Geschichte nationaler Selbstfindung. Zwar existierte eine finnische Volksdichtung bereits lange vor unserer Zeitrechnung, doch dem "Land der tausend Seen" (es sind genau 187.888) blieb die nationale Unabhängigkeit bis 1917 verwehrt. Im Spannungsfeld zwischen Schweden und Russland spielt die Definition einer nationalen Kultur in Musik und Dichtung bis heute eine wichtige Rolle.

Die "Kalevala"

Finnland gehörte bereits mehrere Jahrhunderte lang zu Schweden, als es nach dem "Finnischen Krieg" 1809 an Russland abgetreten werden musste. Der Status als autonomes Großfürstentum innerhalb des russischen Reichs begünstigte die Entwicklung einer eigenständigen finnischen Kultur und so erschien 1835 das auf Grundlage der finnischen Volksdichtung zusammengestellte Nationalepos "Kalevala". Die Runengesänge, auf denen das Werk basiert, entstanden zum Teil vor mehr als 2.500 Jahren. Die "Kalevala" trat an die Stelle einer bis zu diesem Zeitpunkt nicht vorhandenen eigenen finnischen Geschichte und trug damit maßgeblich zur Entstehung einer finnischen Identität bei.

Die Väter der finnischen Musik

Die Verbindungen nach Schweden blieben trotz russischer Herrschaft eng, und über die Ostsee war Finnland auch mit Deutschland verbunden. Der "Stammvater der finnischen Musik", Frederik Pacius, war gebürtiger Hamburger. Er schrieb nicht nur die erste finnische Oper (Finnland gilt als eines der weltweit führenden Opernländer), sondern schuf auch die Melodie der finnischen Nationalhymne "Maamme", die mit geändertem Text auch von den Esten übernommen wurde. Ende des 19. Jahrhunderts prägte schließlich der Komponist Jean Sibelius auf der Grundlage der Runendichtung eine nationale finnische Tonsprache.

Tango, Humppa und Jenkka

Tangofestival im finnischen Seinäjoki © picture-alliance/ dpa Foto: DB Harri Toivola
Tango ist bei den Finnen überaus beliebt.

Anfang des 20. Jahrhunderts gewannen ausländische Einflüsse die Oberhand über die Volksmusik. Von den zahlreichen Modetänzen, die aus Westeuropa herüberschwappten, erlebte der Tango in Finnland einen beispiellosen Siegeszug. Die wehmütige finnische Variante entstand allerdings erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Noch heute zieht der Finntango jeden Samstagabend Alt und Jung auf die Tanzflächen, und das Tangofestival in Seinäjoki unterstreicht Jahr für Jahr die Bedeutung Finnlands als zweitgrößte Tangonation nach Argentinien. Älter als der finnische Tango sind Humppa, eine spezifisch finnische Variante des Foxtrott, und Jenkka, ein Volkstanz, aus dem in den 1960er-Jahren der weltweit erfolgreiche Letkiss entstand.

Iskelmä und Pop

Doch nicht nur Modetänze gelangten über die Ostsee nach Finnland, sondern auch der Schlager. Er ging mit der Volksmusik eine nachhaltige Symbiose ein, aus der mit Iskelmä die kommerziell erfolgreichste finnische Musikrichtung hervorging. Wie beim Finntango überwiegen Molltonarten, und das aus den Runengesängen überlieferte Motiv der absteigenden Quinte findet sich selbst in Kompositionen wieder, die mit modernen Dancefloor-Rhythmen liebäugeln. Popmusik in finnischer Sprache erfreut sich ebenfalls großer Beliebtheit, was sich nicht nur in den Verkaufszahlen widerspiegelt: Viele kommerzielle Radiosender gewinnen ihre Hörer nur durch einen hohen Anteil finnischer Musik.

Bunte Rockwelt

Lordi vor der Finnischen Flagge. (Bildmontage) © Fahne: Fotolia, Quelle Künstler: picture-alliance / dpa Foto: Fahne: Juergen Priewe, Fotograf Künstler: Jörg Carstensen
Lordi gewann 2006 den ESC für Finnland.

Vielleicht ist es die ewige Suche nach dem typisch Finnischen, welche die Kreativität der Finnen auf dem Gebiet der Rockmusik so beflügelt. Progressive, Punk, Heavy Metal - keine Richtung, die nicht bedient würde. Der Markt ist zwar klein, doch für jeden noch so exzentrischen Musikgeschmack gibt es die passende Nische. Und mal ehrlich: Wo so halsbrecherische musikalische Experimente wie Elvis-Songs auf Latein oder Metal-Kracher mit Cello-Instrumentierung herkommen, muss man sich über Monster-Rocker wie Lordi nicht wirklich wundern.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 13.05.2017 | 21:00 Uhr

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