Stand: 06.03.2015 11:00 Uhr

"Das Spotlight auf ihm ist das Problem"

Andreas Kümmert nimmt seinen Vorentscheid-Sieg nicht an und damit bekommt Ann Sophie das Ticket zum ESC-Finale in Wien. Wir haben mit Sigi Schuller von Kümmerts Plattenfirma Universal und seinem Produzenten Christian Neander nach der Show über die überraschende Wendung des Abends gesprochen.

Sowas hat es noch nie gegeben. Wie erklärt ihr euch und vor allem uns, was da passiert ist?

Sigi Schuller: Vollständig erklären wird man es erst können, wenn man noch zwei, drei, vier, fünf, sieben Gespräche mit Andreas geführt hat. Ich glaube, dass er erkannt hat, was der Unterschied zwischen "Können" und "Wollen" ist. Er wollte das und er kann alles, was auf der Bühne passiert. Und er hat vollkommen abgeliefert. Er hat so dermaßen mit einer Überzeugungskraft gesungen, als gebe es keinen Morgen mehr. Er hat alles gegeben. Er hat sich da nichts vorzuwerfen. Ich glaube, er hat sich vorzuwerfen, dass er nicht einschätzen konnte, wie sehr er das nicht kann. Sich da hinzustellen und dieses Interesse - aus seiner Sicht - über sich ergehen zu lassen, und die Öffentlichkeit in der Form, das ist glaube ich für ihn zum jetzigen Zeitpunkt und in seinem jetzigen Zustand auf jeden Fall ein großes Problem. Und das hat er glaube ich in der Sendung massiv gemerkt.

VIDEO: Andreas Kümmert erklärt seinen Rücktritt (3 Min)

Er hat sich natürlich den denkbar schlechtesten Zeitpunkt dafür ausgesucht, das zu sagen. Man hätte sich auch überlegen können vielleicht eine Runde vorher auszusteigen. Dann hätten drei Leute die Chance gehabt und der Sieg wäre auch schöner für Ann Sophie gewesen. Das muss man sich auch überlegen, dass das für dieses junge Mädchen total schwierig ist.

Christian Neander, Produzent und Gitarrist der Band Selig ©  picture alliance / Eventpress
Auch für Christian Neander, der das Album von Andreas Kümmert produziert, kam der Rücktritt völlig überraschend.

Christian Neander: Aber sie hat gerade ganz toll reagiert. Wahnsinnig schön und das sehr mitfühlsam.

Schuller: Das 'hätte wenn' - 'Hätte hätte Fahrradkette', da gibt es ne Menge an Überlegungen dazu. Und ich hoffe, dass wir nie wieder in die Lage kommen, uns solche Überlegungen mal machen zu müssen und dass wir keinen Künstler haben, der so eine Überlegung irgendwie anstellen muss. Ich glaube, er hat einfach spontan entschieden. Er hat auch wie gesagt alles gegeben und irgendwann wahrscheinlich festgestellt, dass er es einfach nicht packt. Dass Andreas kein einfacher Mensch ist und kein einfaches Leben hat, das kann man ein bisschen vielleicht empathisch spüren. Aber dass er es wollte, hat man gesehen. Dass er es nicht kann, hat er vielleicht einen Tick zu spät festgestellt. Irgendwie ist er auch ein bisschen ein Rock’n Roller, also man sagt eine Show nicht ab. Wenn man auf die Bühne gehen soll, dann geht man auf die Bühne und singt. Dieses Selbstverständnis hat er schon. Das ist auch eine Qualität und das hat man auch gesehen. Ich glaube, das ist es nicht. Ich glaube, es geht nicht darum, nicht auf der Bühne stehen zu wollen und auch nicht in Wien stehen zu wollen. Sondern es geht darum, dass einfach das ganze Drumherum eine Spur zu groß für ihn ist. Die Lampe ist zu groß für ihn, die da angeht. Das Spotlight auf ihm ist das Problem.

Wie überrascht seid ihr? Wusstet ihr das vorher? Oder hat er das einfach so gemacht.

Schuller: Nein, dass er ein verrückter Hund ist, das wissen wir!

Andreas Kümmert auf der Bühne beim deutschen ESC-Vorentscheid. © NDR Foto: Rolf Klatt
Andreas Kümmert legte einen perfekten Auftritt hin. Das sahen auch die Zuschauer so und kürten ihn zum Sieger. Diesem Druck hält der Musiker nun nicht stand.

Neander: Wie er gesungen hat, wie er performt hat, da dachten wir 'Boah ist das krass'. Bei dem ersten Song habe ich geweint und dachte: 'Der fegt mich völlig weg'. Und das war auch die Erfahrung im Studio. Wir haben da einfach schön Musik gemacht. Wir waren baff!

Schuller: Wir waren angespannt, weil wir auch in Andreas mit reingehorcht haben und dass er selbst angespannt war, das hat man natürlich gemerkt. Dass er wenig zwischen den Auftritten gesagt hat, dass er sehr still war, er kann sehr lustig sein. Dass da wenig kam, das hat man auch gemerkt. Dass er sich irgendwie mit sich selbst beschäftigt, war klar, aber dass das dabei herauskommt...

Also ihr seid auch komplett überrascht?

Neander: Ja, das ist natürlich auch traurig. Wie krass muss es sein, so eine Erkenntnis zu haben und sich dann zu trauen, das zu sagen, da kann man nur den Hut vor ziehen. Ich weiß nicht, ob ich das gekonnt hätte. Ich glaube nicht.

Wir haben auf jeden Fall eine würdige Siegerin. Das darf man natürlich nicht vergessen. Hat sein Rücktritt jetzt Konsequenzen für ihn?

Schuller: Für ihn persönlich?

Mit euch als Plattenfirma?

Schuller: Nö, nö. Ich habe Respekt davor. Also wir haben auch gesprochen. Unsere Geschäftsführung ist gerade auf einer Klausurtagung. Die sind natürlich alle vom Sofa gefallen und haben dann angerufen und gefragt, ob er morgen noch mal was dazu sagen wird. Wahrscheinlich wird es noch eine Pressemitteilung geben. Die haben auch gesagt: 'Respekt, krass'. Aber man sieht schon eine verlorene Chance für ihn, aber das war es dann auch. Er macht jetzt eine Platte und wir glauben, eine sehr, sehr gute Platte. Und ich habe auch zu ihm gesagt: 'Das Einzige, was du jetzt machen kannst, ist zwei Wochen in den Wald zu gehen und Songs zu schreiben. Das ist eigentlich das, was du jetzt machen solltest'.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 05.03.2015 | 20:15 Uhr

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