Portugiesisches Trauerspiel
Das portugiesische "Festival da Canção" war einst ein Ereignis von nationaler Bedeutung, sowohl musikalischer als auch politischer Art. Davon war in den letzten Jahren nicht mehr viel geblieben: Wirklich ernst zu nehmende Künstler mieden den Wettbewerb wie der Teufel das Weihwasser und die chronische Erfolglosigkeit Portugals beim ESC raubte auch den Zuschauern fast jegliches Interesse an der Veranstaltung. Aus Sicht der Fernsehmacher wäre es also an der Zeit gewesen, das Format zum 50. Jubiläum der ersten portugiesischen ESC-Teilnahme 1964 gründlich zu entstauben. Doch leider wurde die letztjährige Nichtteilnahme ganz offensichtlich nicht als Kreativpause genutzt. So bestand die Jubiläumsshow in erster Linie aus endlosen Festivalrückblicken im 70er-Jahre-Stil mit hochnotpeinlichen Tanzeinlagen zu unsäglicher Hammond-Orgel-Musik.
Auf der Suche nach der stehen gebliebenen Zeit
Auch bei der Wahl der Beiträge hatte man sich nicht im Geringsten darum bemüht, aktuelle Trends zu berücksichtigen und lud als Komponisten die üblichen Verdächtigen ein, die auch schon in der Vergangenheit nur für eurovisionäre Schadensbegrenzung getaugt hatten. Der undurchdringliche Festival-Filz klang dann so, als versuche man einem alten Röhrenradio die Musik einer längst vergangenen Jugend zu entlocken und wirkte optisch wie die Trauerfeier zur Beisetzung der portugiesischen Musik. Im Saal versammelt saßen die Granden der Vergangenheit, um den fünf Finalisten in dieser schweren Stunde moralischen Beistand zu leisten. Siegerin wurde am Ende Suzy mit dem "Lambada"-Aufguss "Quero ser tua" (Ich will die Deine sein). Wer nur das ESC-Finale schauen möchte, braucht sich das aber nicht zu merken.