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Sanja Vučić
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"Goodbye",
2016
in Stockholm
(Finale)
(18. Platz, 115 Punkte, davon 35 Jurypunkte)
Großer Pathos-Pop aus Serbien
Wenn man sich bei Sanja Vučić auf eines einigen kann, dann, dass man sich auf diese Frau nicht einigen kann: Die einen finden sie fantastisch, exzellent, eine Wucht. Die anderen bekommen ein nervöses Augenzucken, sobald die Serbin anfängt zu singen - zumindest, wenn sie ihr dabei zusehen. Denn Sanja zuckt selbst sehr viel. Während sie den Song "Goodbye (Shelter)" singt, mit dem sie Serbien beim Eurovision Song Contest 2016 vertreten hat, sieht sie aus, wie eine Schauspielerin, die versucht, drei Rollen auf einmal zu spielen. Aber, wirft hier schon wieder jemand ein, das ist ja gerade das Besondere an ihr!
Serbien: Sanja Vučić - "Goodbye (Shelter)"
Im Song "Goodbye (Shelter)" der Serbin Sanja Vučić geht es um ein ernstes Thema - um häusliche Gewalt. Ein wenig erinnert die Performance an Nina Sublattis "Warrior". Platz 18 im Finale.
Pathos-Pop mit ernstem Anliegen
Außerdem: Der Song braucht tatsächlich eine ordentliche Schippe Pathos. Auf den ersten Blick geht es um die altbekannte emotionale Einbahnstraße: Sie kommt nicht von ihm los, obwohl er nicht gut für sie ist. Doch die Message ist viel ernster. "Es geht um eine Liebe, die irgendwann in Missbrauch umschlägt", erklärt Komponistin Ivana Peters, "in psychische wie physische Gewalt". Die Musikerin und Songschreiberin, die in Serbien mit ihren Bands Tap 011 und Negative sehr bekannt ist, wünsche sich eine Diskussion darüber und hoffe, betroffene Frauen könnten dadurch die nötige Stärke in sich selbst finden.
Das ist auch Sanjas Anliegen. Im Interview mit eurovision.tv wurde sie kürzlich gefragt, welchen ESC-Song sie gerne mal covern würde. Ihre Antwort war "Warrior", Georgiens Beitrag von 2015. Thematisch liegt das nahe: Nina Sublatti besingt darin den harten Kampf ihrer georgischen Geschlechtsgenossinnen um Gleichberechtigung.
In vielen Genres zu Hause
Musikalisch surft Sanja gleich auf mehreren Wellen: Die Songs ihrer Band ZAA, mit der sie seit 2012 durch den Balkan tourt, basieren auf Reggae, greifen aber immer auch auf andere Genres wie Jazz, Ska, Punk, Dub, Postrock zurück.
Aber auch mit einem Song wie "Goodbye (Shelter)" hat Sanja keine Schwierigkeiten, obgleich der ganz woanders verortet ist: im opulenten Pathos-Pop à la Adele, mit orchestraler Untermalung und ein paar Flötentönen, die daran erinnern, dass hier ein Balkanstaat vertreten wird. Über allem liegt Sanjas kraftvolle Stimme, die irgendwie überall zu Hause ist, und der man auch die Vorbilder Aretha Franklin und Beyoncé anhört. Alles in allem ist es nicht verwunderlich, dass der serbische TV-Sender RTS, der Sanja intern auswählte, auf diese Künstlerin setzt, obwohl die noch keinen großen Bekanntheitsgrad hat und nach eigenen Angaben eher "nicht kommerzielle Musik" macht.
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Der Gesang wurde Serbiens ESC-Kandidatin tatsächlich in die Wiege gelegt: Beide Eltern sind ebenfalls Musiker und bringen der kleinen Sanja schon früh ein Repertoire an alten jugoslawischen Volksliedern bei.
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Die Liebe zum Singen begleitet sie weiter, und 2012 wird die damals gerade 19-jährige Sanja Vučić Sängerin der Band ZAA. Mit ihr macht sie seither "eher nicht-kommerzielle Musik", wie sie sagt, und tourt fleißig durch die Balkanstaaten.
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Der Sound der Band basiert auf Reggae, bedient sich aber auch fröhlich im Jazz, Ska, Punk, Dub und Postrock.
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Sanja selbst fühlt sich in fast allen Genres wohl - Hauptsache, sie kann singen, wie hier beim Fantreffen Eurovision in Concert im April in Amsterdam.
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Dort überzeugt die Serbin Publikum und Mitstreiter mit ihrer fröhlichen und freundlichen Art.
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Sanjas ESC-Beitrag "Goodbye (Shelter)" ist ein richtiger Pathos-Popsong à la Adele, und die 22-Jährige trägt ihn beim Vorentscheid mit maskenhaft geschminktem Gesicht und knallroten Lippen vor.
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Sehr am Herzen liegt Sanja das Thema ihres Songs - es geht um den Moment, in dem Liebe in Gewalt umschlägt. Der Text beschreibt, wie schwierig es ist, sich aus einer solchen Beziehung, in der Missbrauch geschieht, zu lösen.
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Sanja, die in Belgrad lebt, fühlt sich sehr geehrt, ihre Heimat Serbien beim ESC vertreten zu dürfen.
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Eines ihrer vielen Talente dürfte Sanja beim ESC wohl besonders hilfreich sein: Sie spricht sechs Sprachen und konnte einige davon bei Eurovision in Concert sicher schon anwenden. Jetzt heißt der nächste Stopp: Stockholm, Finale!
Sprachtalent auf dem Sprung
Das 22-jährige Sprachtalent - Sanja spricht Arabisch, Spanisch, Italienisch, Englisch und ein bisschen Portugiesisch - für die Begegnungen mit den anderen Künstlern in Stockholm war sie also bestens gerüstet. Während Sanja im Finale zuckte, zückten nicht allzu viele Televoter das Handy - es reichte nur für den 18. Platz.
Songcheck
