Stand: 13.05.2013 11:50 Uhr

Emmelie, die Überschätzte

Eindrücke vom roten Teppich der Welcome Party des Eurovision Contest in Malmö © NDR Foto: Rolf Klatt
Emmelie de Forest auf dem roten Teppich in Malmö.

Neulich in einer Location namens “Glasklart” – Übersetzung wohl unnötig – wurde die Güte einer haushohen Favoritin ernsthaft erkennbar. Das Lokal, in dem sich die Szenen abspielten, ist ungefähr so zu beschreiben: ein hübscher, offener, sehr hoher Raum mitten im neuen Hafenviertel von Malmö. Um es Menschen zu illustrieren, die schon mal die Hafencity von Hamburg gesehen haben: So sieht es da aus. Auf Brachen und Flächen der Ödnis, mit dem verdrehten Wolkenkratzer “Torso” im Zentrum, in diesem “Auferstanden aus Ruinen”-Quartier fand die Nordische Party statt. Alle fünf Länder, die sich zu Skandinavien zählen können, waren dabei. Der Schwede, der Isländer, die Norwegerin, die Finnin – und als vorletztes, als der Wein bereits etwas ins Lauwarme gekippt war, kommt sie.  Sie, die von Fans als “Elfe”, “Prinzessin” und “scheue Königin” beschrieben wird. Und von der alle erwarten, dass sie ins Finale kommt, mindestens. Die Loreen dieses Jahres, die weibliche Alexander Rybak. Es geht um Emmelie de Forest, die einzige als Thronanwärterin gehandelte Kandidatin, die es für den 58. Eurovision Song Contest gibt. Bei Buchmachern und bei den Fan-Votings liegt sie stets vorne. Als einzige Ausnahme erhält sie mal nur bei den Fangruppen der Eurovisionsländer nicht beste Quote oder zwölf Punkte.

Und obwohl ich weiß, öfters als nötig vollkommen daneben gelegen zu haben, was die Sieger angeht, würde ich sagen: Emmelie de Forest wird es nicht sein. Nein, wenn es einen Gott gibt, der auf ästhetische Konsistenz achtet und ebenso Schummelei zu ahnden weiß, dann kann sie es nicht werden. Sie ist überschätzt. Sie ist die Kati Wolf des Jahres. Sie erinnern sich: Die Ungarin, die alle schick und prima und super fanden – und sich im Mittelfeld verendet wiederfand. Auch wenn ich irren sollte: Was sie in der Nordischen Botschaft ablieferte, war dünn. Ihre Stimme – eher ein hochgeföntes Rinnsal. Eine Röhre, die allenfalls im engsten Familienkreis spontanen Applaus provoziert. Die Klamotten – aus dem Modefundus der vermutlich zwanziger Jahre des 19. Jahrhunderts irgendeiner abgelegenen Nordatlantikinsel. Lumpen, man muss sagen: wahrscheinlich teure Plünnen.

Die Nummer des Isländers hingegen eine Offenbarung: Singt sensationell, trägt einen Bart, wie alle jungen Männer zwischen Nordkap und Sizilien und freut sich offenbar überhaupt beim ESC dabei sein zu können – so geht zumindest meine Phantasie, die sich an seinem zufriedenen Gesicht aufhängt. Er, Eyþór Ingi Gunnlaugsson, ist die Marija Serifovic des Jahres, wie Tex Rubinowitz mir mailte. Eine Stimme, die mit jedem Ton aufs Ganze zu gehen sucht, nicht nur wie Emmelie de Forest kalkuliert wispert und schluchzt.

Und Emmelie, wie sie unter dänischen ESC-Fans kurz verkumpelnd genannt wird? Woher rührt die Begeisterung für das Konfektionelle im Allerlei ihrer Begleittöne? Über die Chanteuse wurden in den vergangenen Wochen krude Stories lanciert, dass sie eine illegitime Enkelin von einem britischen König sei. Sie singt das einschläferndste Lied seit “The Voice” von Eimear Quinn, seit “Rock Me” von Riva oder – ich bitte um Entschuldigung – seit Loreens “Euphoria“. Kein Lied, das wirklich mitreißt, sondern nur nicht stört: “Only Teardrops“. Mögen manche sagen, ihre Gesangsstil wecke Mitleid und verdiene Respekt. Ich würde sagen: Nein, wer so auf die Opferkarte, auf das Ticket “Ich bin so klein und schüchtern” setzt, darf damit nicht durchkommen.

Okay, voriges Jahr ahnte ich auch nicht, dass die Schwedin so furios wie einst der Rybak gewinnen würde – aber ist das schon ein Argument für Emmelie de Forest? Ich glaube, sie ist eine junge Frau wie aus dem Märchen vom “Aschenputtel”. Aber in diesem spielt sie nicht die herzergreifende Hauptrolle.

Ich finde, es sollte mal wieder ein Act gewinnen, den niemand so ganz vorne sah. Ist das etwa nicht der ESC “at it’s best”: eine Chance dem Außenseitertum – und nicht dem Naheliegenden?

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 18.05.2013 | 21:00 Uhr