Stand: 23.07.2013 16:45 Uhr

Schweizer Ordentlichkeit

Takasa für die Schweiz bei der Probe des zweiten Halbfinales. © NDR Foto: Rolf Klatt
"Takasa", der Schweizer ESC-Beitrag 2013, schieden im 2. Halbfinale leider aus.

Jedes Jahr verblüfft es mich, wie akkurat das eidgenössische Fernsehen die Bedingungen für die Vorentscheidung zum ESC umreißt. Das Regelwerk kann man im Internet herunterladen, als Stichworte reichen „srg“ und „esc 2014“ – eine pdf-Datei klärt alles Weitere. Fest steht, dass die finale Show am 1. Februar in Kreuzlingen stattfinden wird, also wiederum in größter Bodenseenähe, beinah in Wurfweite zum Senderaum der ARD. Der erste Tag des Fastnachtsmonats mag ein guter Termin sein, wichtig ist jedoch, dass die Schweiz nicht schon im alten Jahr ihr Ticket zum ESC-Finale im Mai 2014 in Dänemark vergibt. “Takasa“, im Vorentscheid noch unter dem Namen “Heilsarmee“, der Schweizer ESC-Beitrag dieses Jahres, war ja schon ein knappes halbes Jahr vor der eurovisionären Finalwoche ausgewählt worden – so lange lässt sich kein Spannungsbogen aufrechterhalten.

Im vorigen April, so erzählten mir Freunde aus Luzern und Fribourg, sei der Act für Malmö beinah schon vergessen gewesen. Und soweit ich hörte will das Schweizer Fernsehen ein bisschen weniger Rücksicht auf die eigenen Terminwünsche nehmen – bislang fand die Vorentscheidung so früh statt, weil man die Fernsehtechnik im Januar und Februar für Skisportübertragungen benötigte. ESC-Vorentscheid und alpiner Sport gleichzeitig – im nächste Jahr geht das offenbar doch.

Was die Regeln betrifft, geht nach meiner Durchsicht nicht hervor, dass es sich bei der Bewerbung um einheimische Komponisten- und Texterteams handeln muss. Nur die Sängerin, der Sänger oder die Band müssen aus der Schweiz stammen. Sechs Acts werden schließlich im Finale sein – und am 1. Februar bereits eine lange Auswahlprozedur hinter sich haben, gemischt aus Jury- und Publikumsvoten.

Die Anmeldephase läuft vom 30. September bis zum 28. Oktober. Wer als Musiker gearbeitet hat weiß, dass bis zum letzten Tag viel gewerkelt werden muss, um etwas Wettbewerbtaugliches abzuliefern. Denn die eingereichten Beiträge müssen ein fertiges Lied servieren – und anschließend nach der ersten Auswahl vor einer Jury (so jedenfalls im deutschsprachigen Bereich der Schweiz) auftreten. Die Experten prüfen nicht nur die Güte der Kompositionen und Texte, sondern – und das ist die Pointe! – die Aura des Acts: Wie es um die Livequalitäten sowie die Fähigkeiten bestellt ist, auch ansprechend aufzutreten.

Die „Heilsarmee“ alias “Takasa” schien mir allzu brav performt zu haben – aber wie hätte das auch anders sein sollen angesichts des lächelnd-christlichen Hintergrunds der Band? Aber die Schweizer waren dieses Jahr biederer als noch bei der Vorentscheidung, vielleicht ein Ergebnis des Gezerres um den Namen, der ja in Malmö nicht „Heilsarmee“ lauten durfte – und somit ja um den Gag, den Witz, das Bizarre gebracht wurde.

Drei Lieder aus der deutschsprachigen Schweiz, zwei aus der welschen Eidgenossenschaft und ein Lied aus dem Tessin bilden schließlich das halbe Dutzend für Kreuzlingen am 1. Februar. Ich wünsche mir, dass da nicht nur Konfektion präsentiert wird, nicht allein das Kompromisslerische, das aus jeder Auswahl hervorzugehen droht. Sondern dass ein Act gewinnt, der wirklich neu, aufregend und schräg ist. Und vor allem musikalisch: Kein Rock, kein Discodumpf, kein Hymnisches der klassischen Art.

Die Schweiz hat doch nix zu verlieren: Soll sie doch mal das Experimentelle wagen – etwa wie Frankreich von 1990 an, als Joelle Ursull, Amina, Kali oder Nina Morato die Eurovisionsüblichkeiten verletzten und sehr großen Erfolg hatten. So akkurat ein Regelwerk auch sein mag: Am Ende zählt, was Europa überzeugt und überrascht.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 10.05.2014 | 21:00 Uhr