Stand: 17.05.2013 00:49 Uhr

Zirkuspferdqualität in Bestform

ByeAlex für Ungarn im zweiten Halbfinale des Eurovision Song Contests © NDR Foto: Rolf Klatt
Der Ungar ByeAlex hat sich mit seinem Titel "Kedvesem" ins Finale gesungen.

Die, was das Sportliche angeht, Tatsachen sehen aus meiner Sicht so aus: Die zehn Länder des zweiten Semis, die sich für das Finale qualifizierten, sind Aserbaidschan, Finnland, Malta, Island, Griechenland, Armenien, Ungarn, Norwegen, Georgien und Rumänien. Man könnte sagen: Der Kaukasus hat es zu dritt gemeinsam geschafft. Von zehn Ländern, die einst zur Sowjetunion gehörten, ist nur Lettland ausgeschieden, neun hingegen sind im Grand Final präsent. Auch die skandinavischen Länder sind vollzählig vertreten, alle fünf sind weiter.

Die Länder, die einst zu Jugoslawien gehörten, sind ebenso auf der Strecke geblieben wie Albanien. Mazedonien, als letztem Sprengsel aus dem Reiche Titos, hat es nichts genützt, dass Esma als Ultra-VIP der Romas in ihrer Heimat wie überhaupt in der europäischen Diaspora mitmachte. Israels Dame muss abreisen, so auch die Schweiz. Ich würde sagen, dass man das bedauern könnte, wenigstens im Falle Moran Mazors. Malta trat erstmals mit einer Chill-Lounge-Gutgelaunt-Nichtdisko-Nummer an – und wurde belohnt.

Ungarn freut mich besonders, weil niemand es erwartet, dass ein Mann mit Agenturbrille und Wollmütze es packt. Die träge, aber entschlossen sich schleppende Melodie, hat ihm bestimmt geholfen: “Kedvesem” war großartig vorgetragen. Griechenland war auch keine Überraschung. Es leben überall Griechen im Ausland, und das Lied, eine Art Marlène-Charell-hafte Version vom Rembetiko, war ja gar nicht so übel. Der transsilvanische Rumäne könnte, wenn er jetzt schon im Finale ist, die gleiche Rolle spielen wie 2006 in Athen die finnischen Lordi-Leute: Eigentlich schrecklich zum Anhören, aber so speziell, so verführerisch zum Hingucken und sei es des Fremdschämens wegen, aber doch am Ende mit den meisten Punkten im Korb.

Dass die Schweiz auf dem Weg in die Endrunde verendete wie ein Geißbock auf der Flucht vor dem Schneesturm, elend nämlich, das musste nach dieser lahmen, kreuzbraven Performance erwartet werden.

Im West-Ost-Vergleich des Finales – früher ein Indikator für mancherlei Verschwörungstheorie, die auch ein Stefan Raab gern kolportierte – stellt sich nun heraus, dass es keine Übermacht des Ostens an sich gibt. Zählt man die Big Six der gesetzten Länder hinzu, steht es 15:11 für den Westen. Neun Länder des klassischen Grand Prix Eurovision (bis 1992 gültig) dürfen auch Samstag an den Start, elf der ehemaligen Intervisionssenderkette.

Mir haben vor allem drei Acts imponiert. Es sind die aus Ungarn, Island und Malta. Ist natürlich Geschmackssache, aber sie waren auch live sehr gut – und stärker als bei allen Proben. Das darf man Zirkuspferdqualität nennen, die Fähigkeit zum Momentum, des In-Bestform-Seins, wenn es wirklich zählt.

Hier, unter Journalisten und Fans, galt es bis 22:30 Uhr heute Abend als ausgeschlossen, dass San Marino ausscheidet. Aber das konnte man ahnen: Zwei Stücke in einem, ein absichtsvoll italienisch klingendes Ding, das am Ende von einer Art Musicalcrescendo abgetötet zu werden scheint, das konnte nicht gut gehen. Ich finde, Ralph Siegel hat dennoch allen Respekt verdient, es mal wieder versucht zu haben.

Ich freue ich aufs Finale. Mein Tipp, der bis morgen Nachmittag gilt: die Niederlande gewinnen vor Ungarn und Deutschland. Wenn ich irre, soll es mir auch Recht sein.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 18.05.2013 | 21:00 Uhr