Stand: 18.04.2017 13:27 Uhr

Martina Bárta: "Ich habe ein bisschen Angst"

Die tschechische Teilnehmerin Martina Bárta in ihrem Video "My Turn".
Tschechiens ESC-Hoffnung: Martina Bárta vertritt ihre Heimat beim weltgrößten Musikwettbewerb in Kiew.

Als erst sechste Teilnehmerin überhaupt tritt Martina Bárta für die Tschechische Republik beim Eurovision Song Contest 2017 in Kiew an. Sie gilt in ihrer Heimat als großes Jazztalent und als herausragende Sängerin. Beim ESC startet Bárta mit der Power-Ballade "My Turn". Im Interview spricht sie über Pannen auf der Bühne, ihren ESC-Titel und das schwierige Verhältnis Tschechiens zum Musikwettbewerb.

Martina Bárta, Ihr Land hat keine ruhmreiche Geschichte des ESC zu erzählen, oder?

Martina Bárta: Voriges Jahr ist es uns ja zum ersten Mal gelungen, ins Finale des ESC zu kommen. Früher gab es ein Team beim tschechischen Fernsehen, das kein besonderes Interesse zu haben schien, gute Musiker und Künstler anzuwerben. Es wurden immer sehr populäre Bands aus meinem Land ausgewählt. Doch das hat nicht funktioniert. Irgendwie landeten wir immer auf dem letzten Platz! Wenn man zu Tschechen das Wort "Eurovision" sagte, antworteten sie nur: "Oh, mein Gott." Sie schämten sich. Aber ich sage: Manche Künstler sind wahnsinnig gut. Aber die meisten hören nur das Wort und nehmen direkt Abstand. Aber wie kann man sofort nein sagen, wenn man gar keine Ahnung vom Eurovisionsfestival hat?

Haben Sie jemals selbst gedacht, dass Sie bei der Eurovision singen würden?

Bárta: Natürlich träumt man davon, einmal auf einer großen Bühne zu stehen. Ich bin schon seit einigen Jahren als Musikerin und Sängerin tätig, doch die Eurovision ist bisher das Größte, was ich jemals gemacht habe. Ich nehme das sehr ernst und habe Respekt davor. Ich freue mich darauf, aber ich habe auch ein bisschen Angst davor.

Was war Ihr größter Auftritt bisher?

Bárta: Vor 1.000 Menschen vielleicht. Ich bin oft auf Festivals, in großen Konzerthallen, auch mit einem Orchester aufgetreten. Aber es waren niemals Tausende Menschen. Keine Sporthallen. Deswegen habe ich dem tschechischen Team gesagt: "Hey, Leute. Ich muss ab jetzt regelmäßig vor einem größeren Publikum auftreten." Und deswegen wollte ich auch bei den Pre-Events dabei sein.

Mögen Sie es, live zu singen?

Bárta: Ich mag mit dem Publikum in Kontakt stehen. Wenn ich ihre Gesichter sehe, die Augen, diese gewissen Vibes. Bei der Eurovision ist die Bühne ja sehr weit weg. Mein Song ist sehr emotional und kraftvoll. Ich darf nicht nervös sein in Kiew, ich muss entspannt sein.

Martina Bárta

Bürgerlicher Name: Martina Bárta
Geburtstag: 1. September 1988
Geburtsort: Prag
Land: Tschechien
Sternzeichen: Jungfrau
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Man kann als Künstlerin einen ESC auch genießen?

Bárta: Ja, das glaube ich. Neulich hatte ich in Prag bei einer Preisverleihung einen Horrorauftritt - erst fiel mein Mikrofon aus, dann die Monitore - ich musste singen, ohne meine eigene Stimme zu hören. Das waren meine schlimmsten drei Minuten in den letzten Jahren. Ich habe mir das Video nachher angeschaut und sah auf meinem Gesicht, dass etwas nicht stimmt. Danach dachte ich, dass man sehr viel und sehr fein proben muss, um sich auf der Bühne gut zu fühlen.

Haben Sie schon vorher an Wettbewerben teilgenommen?

Bárta: Vor fünf Jahren, kurz bevor ich nach Berlin gezogen bin, habe ich in Tschechien an einer Casting-Show für ein Musical teilgenommen. Sie lief ein Vierteljahr jeden Sonntag live im Fernsehen. Den Wettbewerb habe ich gewonnen und dadurch eine Hauptrolle im Musical bekommen. Aber dann dachte ich mir: Ich muss etwas in meinem Leben verändern. Ich habe mir immer gewünscht, im Ausland studieren zu können. Deswegen habe ich mich an der Universität der Künste in Berlin beworben und wurde aufgenommen. Ich habe dann zuhause zu meiner Mutter gesagt: Mutti, ab Oktober bin ich in Berlin.

Wer hat Ihr Eurovisionslied ausgesucht?

Bárta: Das tschechische Team. Aus 300 Songs wurde der eine entscheidende gesucht. Eine Jury aus tschechischen Musikern, Produzenten und Kritikern hat - auch mich - Ende Januar angerufen und gefragt, ob ich am ESC überhaupt Interesse hätte. Es gab auch bekanntere Künstler, die für den ESC angefragt wurden, aber sie hatten kein Interesse. Ich denke, sie glauben, dass es ihren Namen beschädigen könnte. Andere wiederum hatten keine Zeit, weil sie schon so viele Konzerte und Engagements hatten.

Tschechische ESC-Teilnehmerin Martina Bárta beim Auftritt mit Big Band. © Martina Bárta/ SMIKMATORPHOTO.COM
Wettbewerbs-Erfahrung hat Martina Bárta. Bis zum ESC will sie aber noch häufiger auf großen Bühnen spielen.

Sie haben das erst Ende Januar erfahren?

Bárta: Ja. Vor allem wollten sie wissen, ob ich für den Mai und die Wochen davor überhaupt Zeit habe. Ja, sagte ich, das habe  ich. So kam es schließlich zu "My Turn". Als ich die Komposition hörte, dachte ich: Oh, mein Gott. Ich war und bin so froh. Wie eine Elton-John-Ballade. So ein typisch britischer Song. Mir war bewusst, dass ich keine Pop-Diva bin. Ich bin keine Schlager-Sängerin. Ich hatte Angst davor, dass mir das tschechische Team einen zu poppigen Song für mich auswählt. Der zweite Song, der zur Auswahl stand, war eher poppig. Der wäre schwierig für mich gewesen.

Haben Sie schon, neben den Proben auf der großen Bühne, Pläne für Kiew?

Bárta: Meine Schwester kommt für ein paar Tage nach Kiew, wir haben dort schon ein paar Konzerte geplant. Vielleicht in einem Jazz-Klub. Mit ukrainischen Liedern. Sie wird das arrangieren.

Ist in Tschechien eigentlich bekannt, dass Karel Gott an der Eurovision teilgenommen hat?

Bárta: Ich habe das gelesen. Für Österreich hat er teilgenommen, vor fast 50 Jahren, 1968. Mit einem Titel von Udo Jürgens. Ich hatte das Glück, ihn ein paar Male Backstage mit der Radio Big Band zu treffen. Er ist wirklich eine sehr höfliche, höchst professionelle Person. Er begrüßt jede einzelne Person. Auch die Techniker. Manche sehr schnell gewachsenen Stars sind da sehr hochnäsig. Sie sollten vielleicht von solchen Stars lernen.  

Das Interview führte Jan Feddersen.

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Tschechische ESC-Teilnehmerin Martina Bárta.  Foto: Johanna Henning

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Dieses Thema im Programm:

ONE | 09.05.2017 | 21:00 Uhr

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