Wallende Mähnen und weite Hosen - die Siebziger

Schlaghosen und wallende Mähnen prägten modisch die siebziger Jahre. Was den ESC betrifft war es aber vor allem das Jahrzehnt von Abba. Die vier Schweden schafften mit "Waterloo" 1974 ihren Durchbruch und machten salonfähig, was sich ein paar Jahre zuvor noch niemand getraut hätte: Schrill, bunt und laut gaben sie ihrem Ohrwurm ein Outfit. Plötzlich war so gut wie alles erlaubt: Silberne Plateaustiefel für Männer, viel Glitzer und kreischende Farben.
Dabei hatte auch dieses Jahrzehnt noch ganz harmlos angefangen. Die irische Siegerin Dana entzückte das Publikum 1970 noch mit bunten Stickereien auf weißem Kleid und einer schönen Spange im braunen Haar, während sie - unschuldig auf der Bühne sitzend - von "Butterflies And Bees" sang. Auch die Zweitplazierte in diesem Jahr, Mary Hopkin aus Großbritannien, war ordentlich frisiert und trug ein braves schwarzes Kleid - keine Spur von Show oder gar Sex-Appeal. Schließlich trugen auch die Herren 1970 noch "ordentliche" Anzüge. Das sollte sich im wahrsten Sinne des Wortes schlagartig im Laufe des Jahrzehntes ändern.
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Vor allem in der ESC-Welt gab es sie Anfang der siebziger Jahre noch: die brave Mode. Séverine aus Monaco etwa trat im langen schwarzen Kleid auf.
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Und auch die Irin Dana kam 1970 nahezu unschuldig in ihrem Outfit daher. Doch trotz der mädchenhaft Stickereien konnten die Bühnenoutfits eines nicht mehr verbergen: Die Kleider wurden kürzer.
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Außerhalb des ESC wurden Kleider allerdings nicht nur kürzer, sondern auch luftdurchlässiger. US-Schauspielerin Marisa Berenson etwa zeigte sich in Häkelkleidchen, bei denen offenbar die Wolle knapp wurde - bei den groben Maschen.
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Katja Ebstein kam die auffällige Mode entgegen. 1970 hatte sie schon mit einem sehr knappen türkisfarbenen Mini aufgetrumpft, ein Jahr später betrat sie beim deutschen Vorentscheid im weißen Hosenanzug mit glitzernden Elementen und großer Gürtelschnalle die Bühne.
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Auffällig waren in den Seventies übrigens nicht nur die knalligen Farben - auch die Frisuren durften gern ein wenig exzentrischer sein. Das galt übrigens nicht nur für die Frauen ...
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... Auch die Herren der Schöpfung, wie hier die Sänger von The New Seekers, trugen zu quietschenden Anzügen eine ganz ordentliche Zottelmähne zur Schau.
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Wer Teile seiner Frisur hingegen lieber verstecken wollte hatte Glück: Mit einer Kopfbedeckung als Styling-Objekt konnte man die Mode der Seventies problemlos aufwerten.
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Agnetha von Abba machte 1974 eine Mütze sogar beim ESC salonfähig - der ja nun lange als eher verklemmt daher kam.
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Vorbei war es jetzt mit gedeckten Tönen, in den Siebzigern setzte man verstärkt auf Farbakzente - auch als Mann.
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Eindrucksvoll bewies das etwa Renato, der Malta 1975 beim Grand Prix vertrat - im türkisfarbenen Anzug mit einer Art Flügel unter den Ärmeln.
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Doch auch Gitte zeigte sich 1973 farbenfroh - und in gewisser Weise auch nicht scheu, wenn es um neue Formen und Schnitte in der Mode geht.
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Genau wie natürlich Abba, die sicher für einige Aufschreie in den heimischen Wohnzimmern gesorgt haben werden, mit ihren eher schrillen Outfits.
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Perfekt aufeinander abgestimmt: Das waren 1976 nicht nur die Tanzschritte sondern auch die Outfits von Brotherhood of Man.
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Die Konkurrenz konnte in dem Punkt allerdings mithalten: Die Finninnen von "Fredi & Friends" präsentierten sich in Gymnastik-Anzüge im Partnerlook. Sehr sportlich, sehr modisch - und wenn die Farbe nicht gewesen wäre, sogar harmonisch.
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Apropos Farbe: "Baby, baby" heißt ihr Song, lila, lila sind die Outfits. Obwohl Nicole & Hugo aus Belgien vollen Körpereinsatz zeigten, reichte es 1973 nur für den letzten Platz.
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Etwas zurückhaltender in der Choreografie, aber nicht in puncto Farbe zeigten sich 1977 Silver Convention - in rosa Fracks mit lila Elementen.
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Ein Fall für sich waren wohl Dschingis Khan. Als "Mongolische Mördertruppe" wurden sie beschimpft, für ihre Show jedoch bis heute gefeiert. Die Truppe setzte eher auf Verkleidung als auf Mode.
Katja Ebstein: Trendsetterin in Türkis

Ist ihren Mitstreiterinnen 1970 modisch um einiges voraus: Katja Ebstein.
Vorgemacht hat es schon in jenem Jahr Katja Ebstein. Musikalisch erreichte sie mit dem dritten Platz die bis dahin beste Platzierung für Deutschland. Modisch allerdings war Ebstein all ihren Mitstreiterinnen um Meilen voraus. Mit silbernen Stiefeln gab sie den Takt an und trug dazu ein ultrakurzes türkisfarbenes Minikleidchen, einen wallenden Mantel - und eine riesige Portion Selbstbewusstsein zur Schau.
In Sachen Beinkleidern setzte vor allem die Schlaghose zum Siegeszug durch die Dekade an. Der ein oder andere Sänger kam zwar immer noch im klassischen Anzug daher und auch Vicky Leandros sang ihren Siegertitel "Après toi" 1972 im schwarzen Abendkleid. Ansonsten blieb die konventionelle Abendgarderobe aber immer häufiger dem Dirigenten und seinem Orchester vorbehalten. Die Glam-Rock-Ära hatte modisch gesehen Einzug ins Grand-Prix-Spektakel gehalten. Die Anzüge der Herren wurden bunter und bestachen durch ungewöhnliche Accessoires wie Glitzer-Streifen, Pailletten oder übergroße Samtfliegen. Auch die Frisuren veränderten sich - vor allem bei den Männern. Stufig geschnittene Haare, zur Mähne gefönt, ließen nicht nur die Herzen der Frisöre höher schlagen. Und vor allem: Man(n) stand nicht nur zu seiner Brustbehaarung, er zeigte sie auch.
Abba machen den Grand-Prix schrill
Was Gary Glitter, Marc Bolan von T. Rex oder David Bowie in Sachen Outfits für die Rockmusik waren, transportierten Abba in die Gefilde des ESC. Ihr Auftritt von 1974 markiert einen Wendepunkt in der Modegeschichte des Wettbewerbs. Glitzer und Glamour waren von da an aus dem Dress-Code nicht mehr wegzudenken. Plötzlich standen Männer in hautengen Anzügen und babyblauen Schlaghosen auf der Bühne. Die dazu passenden Oberteile hatten bisweilen glitzernde Puffärmel oder wirkten wie Astronauten-Jacken. Selbst die Herren, die bei eher klassischen Anzügen blieben, betonten diese mit übergroßen Kragen, wild gemusterten Fliegen oder keck mit einem quietschroten Einstecktuch. Die Outfits der Damen waren in diesen Jahren nicht weniger ausgefallen und bunt. Es grüßte die Flower-Power-Bewegung und so musste sich der ESC-Fan - ob er nun wollte oder nicht - an den Anblick von Blumenkleidchen gewöhnen.

Perfekte Choreographie in Tanz und Outfit: Brotherhood of Man beim Grand Prix 1976.
Brotherhood of Man zeigten 1976 das erste Mal, wie durchchoreographiert ein Auftritt sein kann. Und das nicht nur mit vorher perfekt einstudierten Tanzschritten, sondern auch und gerade mit Hilfe der Outfits. Die Damen kombinierten ihre in Rot, Weiß und Schwarz gehaltenen Overalls mit Franzosen-Mützen - farblich harmonierend mit den Anzügen der Männer. Der Trend, als Duo, Trio oder Quartett in einer Reihe zu singen, setzte sich auch im nächsten Jahr fort. Einstudierte Tanzschritte waren plötzlich genauso "in" wie abgestimmte Outfits.
Hauptsache Verkleidung

Baccara bezauberten in schwarz-weiß - und belegten 1978 Platz 7.
Ende der Siebziger kam dann der Wandel: Der ESC wurde ironisch. Coco aus Großbritannien trugen im Jahr 1978 regenbogenfarbene Badeanzüge zu goldenen Overknee-Stiefeln. Und das nicht nur, um schrill zu sein, sondern um mit den bunten Outfits bewusst ein Stück Clownerie in ihren Auftritt zu bringen. Immer mehr Gruppen kamen nicht nur als Sänger, sondern auch als Schauspieler auf die Bühne. So wie Dschingis Khan 1979. Von Kritikern damals als "Mongolische Mördertruppe" beschimpft, markiert ihr Auftritt bis heute einen der Höhepunkte in der deutschen ESC-Geschichte.
Schrill ist aber Ende der Siebziger kein Muss mehr. Bewusst klassisch waren die Outfits vonBaccara aus Spanien- mit ihren weißen und schwarzen langen Kleidern. Auch die Männer betraten die Bühne einfach mal wieder im schicken Anzug. Mit den Siebzigern beginnt eben die Zeit des modernen ESC: Von glitzernd bis klassisch, von ironisch bis anspruchsvoll - alles geht.
