Stand: 30.05.2014 16:25 Uhr

Lange Karriere für Elaiza?

ESC 2014: Elaiza aus Deutschland © eurovision.de
Nach dem 18. Platz in Kopenhagen ist es ruhig um Elaiza geworden.

Mal offen gesagt: Um das deutsche Trio Elaiza ist es recht ruhig geworden. Alle Aufmerksamkeit gilt Conchita Wurst und vielleicht noch den niederländischen Common Linnets. Aber ein 18. Platz in Kopenhagen - da war kein großer Jubel. Ich finde, das verdient eine gewisse Korrektur. Das faktische Schweigen über diese drei Frauen ist vergleichbar mit dem, was Athletinnen und Athleten erfahren, die mit den größten Ambitionen zu einer Europameisterschaft fahren und dann schon vor dem Endlauf ausscheiden. Zu Elaiza muss man aber sagen: Die Ambitionen auf Höheres sind ausschließlich von außen formuliert worden. Es gilt natürlich: Schon aus patriotischen Gründen wünscht man sich den Act aus dem eigenen Land natürlich immer nach vorn - erst dann kommt die ästhetische Prüfung, ob einem noch andere Lieder gefallen.

Selbst Enttäuschung bleibt aus

Elaiza, also Ela, Yvonne und Natalie, werden sich für den ESC auch vorgenommen haben, ganz weit vorne zu landen. Klappte aber nicht, so geht es vielen ESC-Künstlern und -Künstlerinnen. Und das macht nix. Denn lieber ist mir, dass da eine Gruppe oder ein Künstler so gut, so siegesverdächtig wie irgend möglich auf der Bühne eine Show abliefert, als dass da jemand schon in der Garderobe das Gefühl hegt, nichts reißen zu können - oder gar nichts reißen zu wollen. Bedauerlich ist bei den deutschen Reaktionen auf Elaiza, dass selbst der Faktor der Enttäuschung fehlte. 2007 fuhr Roger Cicero nach Hause - und die Medien und Experten hatten längst ihr Urteil gesprochen, ein positives: Viel besser als der Platz 19 seien der Jazzer, seine Band und deren Lied "Frauen regier’n die Welt" gewesen. Das stimmte zwar nicht, aus diesen Befunden sprach nur die Verschnupftheit, dass da ein modisches Jazzswinglied nicht von Jurys und Televotern angenommen worden war. Aber: Cicero konnte gewiss sein, dass er nicht in puncto Image beschädigt die weitere Karriere bestreiten muss. Es hat Ciceros Musikerlaufbahn eher befördert als behindert, wie man inzwischen weiß.

Gute Karrierechancen

Und das sollte auch für Elaiza gelten: Die drei Musikerinnen haben einen Ohrwurm nach Kopenhagen gebracht. Dort haben sie vielleicht alles als ein wenig zu fett und zu riesig empfunden. Gleichwohl haben sie alle Chancen, noch sehr lange im Geschäft des Entertainments zu bleiben. Jetzt gehen sie auf Tournee, am Samstag spielen sie vor den Toren Berlins beim Open Air in der Waldkirche am Mechesee - eine sehr schöne Location. Dort können sie auch wieder live musizieren, nicht vom Tonband wie beim ESC. Die weiteren Stationen der Tour klingen ebenfalls nicht durchweg nach großer Welt: Tambach bei Coburg, Kemnath, Hameln und Stade verheißen nicht die große weite Welt, auch nicht Burgenlengenfeld. Stationen in Hannover, Würzburg, Berlin, Hamburg und (wieder) Köln sind dabei - das ist alles sehr gut und nicht schlecht.

Gasgeben nach dem ESC

Wie Elaizas Homepage ausweist, sind sie präsenter, als viele andere ESC-Acts. Und das muss auch so sein, denn mit einer Performance beim ESC hat man allenfalls einen Fuß in der Tür, man hat jedenfalls noch nicht die Pforte hinter sich gelassen, um einen Musikmanager zu zitieren. Wie Conchita Wurst und ihr Team momentan sehr genau wissen, ist die Zeit nach dem ESC keine Chilling-Zone, sondern pure, herbe und krasse Arbeit. Man muss auftreten, man muss sich zeigen, man muss beweisen, was in einem steckt.

Joy Fleming beim deutschen Vorentscheid 1975 © dpa Foto: Heinz Wieseler
Joy Fleming landete beim ESC 1975 auf einem mittelmäßigen 17. Platz. Danach war sie trotzdem als Sängerin gefragt.

Vor über zehn Jahren bedauerte ich dem früheren Pop-Gott Michael Holm gegenüber, dass eine wie Joy Fleming nach dem ESC 1975 nicht auf die Füße gekommen ist. Er schüttelte den Kopf, lachte freundlich und sagte: "Wie bitte? Sie tourt doch die ganze Zeit. Sie hat immer wieder neuen Stoff." Sie zehre vom Grand Prix Eurovision, wie er damals noch hieß. Ihr ginge es jedenfalls viel besser als anderen in der Schlager- und Popbranche. "Tausende von Sängerinnen, die hoch hinaus wollten, packen jetzt Kaffee in die Regale von Supermärkten, weil sie es müssen. Nein, Joy Fleming ist im Geschäft, das ist der Unterschied zu den allermeisten.“ Dieser Satz Holms ging mir nie mehr aus dem Kopf.

Lange vom ESC zehren

Andere ESC-Veteranen leben ja das gleiche Schicksal: Nicht gewonnen und doch noch auf der Bühne. Gitte Haenning, Mary Roos, Ireen Sheer, sogar Corinna May soll hin und wieder noch sängerisch auftreten. Elaiza können einen prima Sommer vor sich haben. Der 18. Platz möge ihnen mit Beifall entgolten werden.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 10.05.2014 | 21:00 Uhr