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Conchita Wurst
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"Rise Like A Phoenix",
2014
in Kopenhagen
(Finale)
(1. Platz, 290 Punkte)
Conchita Wurst: Siegreiche Diva mit Bart
Der Song, mit dem Conchita Wurst beim Eurovision Song Contest 2014 in Kopenhagen antritt, heißt: "Rise Like A Phoenix". Und der Titel ist Programm: Mit divenhafter Geste präsentiert die Dragqueen am Finalabend die pompöse Ballade und unterstreicht so den Versuch, beim ESC auch international aus dem Nichts in den Pop-Olymp aufzusteigen. Es gelingt ihr. Conchita Wurst gewinnt den 59. Song Contest mit 290 Punkten. Der Titel "Erste Frau mit Bart beim Eurovision Song Contest" war ihr zuvor schon sicher.
Österreich/Conchita Wurst: "Rise Like A Phoenix"
Beim 59. Eurovision Song Contest in Kopenhagen ging die Österreicherin mit ihrem Song "Rise Like A Phoenix" ins Rennen. Ihr Auftritt aus dem Finale im Video.
Conchita Wurst zieht alle Blicke auf sich
Sexy Kleider, Gala-Frisur und High Heels: Alles typisch Frau, wenn da nicht der dichte, schwarze Vollbart wäre. Mit diesem provokanten Mix aus männlich und weiblich zieht Conchita Wurst die Blicke auf sich - mit voller Absicht natürlich. Denn weder Name noch Aussehen sind ein schwerer Schicksalsschlag, sondern frei gewählt. Im privaten Leben heißt die Dragqueen Thomas Neuwirth. Als solcher tritt er bei der ORF-Castingshow "Starmania" 2007 zum ersten Mal auf die große Showbühne und erreicht den zweiten Platz. Vier Jahre später sorgt der 1988 geborene Österreicher dann richtig für Furore, jetzt als Conchita Wurst. In der ORF-Talentshow "Die große Chance" erreicht die "Diva mit Haaren im Gesicht" zwar nur den sechsten Platz, doch die spektakuläre Erscheinung macht den Mann, der schon als kleiner Junge gerne Mädchenkleider trug, in ganz Österreich bekannt.
Engagement für Toleranz und Freiheit
Das Spiel mit den Geschlechtern wird ab sofort zum Markenzeichen. "Eigentlich ist es Wurst, wie man aussieht und woher man kommt. Einzig und allein der Mensch zählt", erklärt Conchita Wurst die Bedeutung ihres Nachnamens. Der Travestiekünstler will nicht nur musikalisch durchstarten, sondern setzt sich mit jedem Auftritt auch für Toleranz ein. Das Engagement ist persönlich motiviert. Thomas Neuwirth alias Conchita Wurst hatte eine sehr schwere Zeit als schwuler Jugendlicher auf dem Lande. Mit der schillernden Kunstfigur setzt er ein Zeichen für die Freiheit jedes Einzelnen.
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Vor ihrer Ankunft in Kopenhagen (Bild) ist viel über sie gesprochen worden, vor allem in ihrer Heimat Österreich. Dort wird die bärtige Conchita Wurst vom ORF intern bestimmt, was für Aufruhr sorgt. Ihre Nominierung steht schon 2013 fest, doch mit welchem Song sie antritt, wird erst kurz vor Einreichungsschluss bekannt gegeben.
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Ihre James-Bond-hafte Ballade "Rise Like A Phoenix" passt wie die Faust aufs Auge zur Künstlerin. Ihren Einstand in Kopenhagen gibt sie in einer weißen Robe.
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Groß sind die Erwartungen an Conchita Wursts Auftritt: Wird ihre Stimme dem anspruchsvollen Song standhalten? Ihre Performance bei Eurovision in Concert in Amsterdam hatte im April gezeigt, dass die Bühne ihr zuhause ist. Nur: Die ESC-Bühne in Kopenhagen ist gigantisch, wie man unschwer erkennen kann.
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Aber: gar kein Thema für Conchita. Der Support in der Halle durch die Fans ist umwerfend. Jeder Ton sitzt perfekt - genau wie das elegante Abendkleid, das ihr noch Glück bringen soll. Eine goldbestickte Fischschwanzrobe, die sie selbst entworfen hat.
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Spannung beim Voting - neun Kandidaten sind in das Finale gewählt worden, nur noch einer wird es schaffen. Im Rennen sind noch die Favoriten aus Israel und eben Conchita. Banges Warten im Greenrom bei der Delegation der Österreicher.
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Doch tadaaa, gar kein Problem, die Wienerin schafft es ins Finale. Wie sich viel später herausstellt, liegt sie auch im ersten Halbfinale ganz vorne, vor Rumänien.
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Am 10. Mai darf die zierliche Sängerin endlich in ganz großer Pose auf der Finalbühne des 59. Eurovision Song Contests antreten - der wichtigste Tag ihres Künstlerlebens. Conchita startet auf Platz elf - ob das nun ihre Glücksnummer wird?
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Unsere User vergeben ihr im Spontan-Voting im Social Stream von eurovision.de jedenfalls die zweithöchste Punktzahl mit durchschnittlich 7,3 Punkten.
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Nach 15 weiteren Auftritten und einer längeren Votingphase ist es soweit: Die spannende Punktevergabe beginnt. Gleich das zweite Land vergibt zwölf Punkte an Österreich: Griechenland. Conchita kann es kaum fassen.
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Lange liefert sie sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit den starken Niederländern The Common Linnets, die mit ihrer Bluegrass-Nummer "Calm After The Storm" ebenfalls mehrfach zwölf Punkte einheimsen. Bei der Punkteverkündung der Ukraine und dem Punktestand 248 ist klar - Conchita ist nicht mehr einholbar.
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Die Moderatoren verkünden den Sieg der Österreicherin, die am Ende 290 Punkte erreicht - die vierthöchste Wertung der ESC-Historie. Gerührt nimmt Conchita den ESC-Pokal aus den Händen der Vorjahressiegerin Emmelie de Forest entgegen.
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"Europa im Wurstwahn" schreibt die Onlineausgabe der "Bild" unter dem Titel "Ösi-Drag-Queen gewinnt ESC" nach dem Sieg. Spiegel Online schreibt "Österreich hat eine neue Kaiserin!".
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Diesen Titel verpasst ihr auch "Stern.de": "Kaiserin Conchita, die I.". Ihre Siegesworte: "Diese Nacht steht für Einheit aus Liebe und Toleranz. Europa hat heute gezeigt, dass wir fortschrittlich denken und in die richtige Richtung gehen wollen. Und alle anderen: Tut mir leid: Für euch habe ich leider keine Zeit".
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Bei einem Interview nach der offiziellen Pressekonferenz erzählt die Siegerin: "Wie ich mich fühle, kann ich eigentlich noch nicht in Worte fassen. Denn die Worte dafür kenne ich noch nicht. Es ist überwältigend und ich bin so, so, so, so dankbar."
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Keck posiert die Sängerin mit ihrem Kristall-Pokal: Einer ihrer spärlichen Tweets war an die vielen Fans gerichtet: "I LOVE YOU!!"
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"The Wiener takes it all" kalauerte schon das dänische Moderatorenteam beim zweiten Halbfinale. In Wien warten viele Österreicher, um die zweite ESC-Siegerin nach Udo Jürgens zu empfangen.
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"Ein Sieg der Toleranz" schreibt "FAZ.net" über den Sieg, "The winner is the Wurst" die britische Onlineausgabe der Tageszeitung "Dailymail". Nicht alle sind glücklich über den Sieg der "Toleranzbotschafter(in) Tom Neuwirth alias Conchita Wurst" ("Basler Zeitung"), denn trotz Punkten aus Russland ...
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... wetterten dortige Politiker gegen die angeblich von Wurst symbolisierte Dekadenz des Westens. Davon lässt sich Conchita Wurst nicht stören, genießt ihre Ankunft in der Heimat in vollen Zügen und sagt den Reportern, ihr Sieg sei auch ein länderübergreifender Sieg gegen Diskriminierung.
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Es steht fest, dass der 60. Eurovision Song Contest 2015 in Österreich stattfinden wird.
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Ein dringender Wunsch für das folgende Jahr ging für Conchita in Erfüllung: Sie hat in Wien im Green Room moderiert. Das Motto des 60. ESC lautete Building Briges. Und das beherrscht Conchita perfekt.
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Dieser Wunsch geht in Erfüllung - und nicht nur das: Zunächst mal kommt die Sängerin von der Decke auf die Bühne geschwebt ...
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... bevor sie souverän aus dem Green Room berichtet und dort die Teilnehmer wie die russische Polina Gagarina interviewt. Der macht Conchita - charmant wie sie ist - gleich mehrere Komplimente für ihr Kleid und ihre Anmut.
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Die Vorjahresgewinnerin ist es natürlich auch, die den ESC-Sieger 2015 Måns Zelmerlöw im Goldregen auf die Bühne führt.
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Aber Conchita hat noch einige andere große Auftritte: Sie tritt im Oktober 2014 im Gebäude der Vereinten Nationen in Wien auf und trifft dort unter anderem UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. Gemeinsam werben sie für Menschenrechte und Conchita sagt: "Ich träume von einer Zukunft, in der wir nicht über sexuelle Orientierungen, Hautfarben oder religiöse Überzeugungen reden müssen."
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Und natürlich gibt es auch Auftritte mit noch mehr Glamourfaktor: Die österreichische Sängerin präsentiert eine Kreation von Jean-Paul Gaultier während der Pariser Fashion Week in Paris.
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Bei so vielen Ereignissen kann man dann auch getrost eine Biografie veröffentlichen - und das macht Conchita. Ihr Buch "Ich, Conchita - Meine Geschichte. We are unstoppable" erscheint im März 2015.
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Im Januar 2016 hat Conchita einen Auftritt in ihrer Heimat im österreichischen Bad Mitterndorf, danach geht es noch weiter auf Tour, was die Sängerin sehr freut. "Die Zeit nach Kopenhagen war so turbulent, dass für eigene Konzerte praktisch kein Platz blieb. Endlich kann ich mir diesen Traum erfüllen und mich bei allen Fans mit Live-Terminen bedanken", sagt sie auf ihrer Homepage.
ESC-Nominierung für Österreich ohne Vorentscheid
2012 tritt Conchita Wurst beim österreichischen Vorentscheid für den ESC in Baku an. Mit großer Pose schmettert sie den Song "That’s What I Am" und verpasst als Zweite hinter den Trackshittaz nur knapp das Ticket nach Aserbaidschan. Doch ihr Auftritt macht Eindruck: Im September 2013 gibt der Österreichische Rundfunk bekannt, dass Conchita Wurst die Nation beim ESC 2014 vertreten wird - ganz ohne Vorentscheid. Das Lied kennt zu diesem Zeitpunkt noch niemand. Die Nominierung polarisiert. Im Internet formiert sich eine Protestgemeinde, die mit teils niederträchtigen und schwulenfeindlichen Beleidigungen reagiert. Für die Sängerin heißt das: Jetzt erst recht! Mit Unterstützung ihrer großen Fangemeinde will sie der Intoleranz die Stirn bieten.
Erste "ESC-Diva" mit Vollbart
Bilder
Einen derart provokanten Act nach Kopenhagen zu schicken, ist natürlich eine Entscheidung mit Kalkül, denn eins ist sicher: Der pikante Geschlechtermix ist für die Journalisten ein gefundenes Fressen und Conchita Wurst in Kopenhagen in aller Munde. Zudem verspricht ein Auftritt von Männern in Frauenkleidern Erfolg: Die Sänger der slowenischen Gruppe Sestre im sexy Stewardessen-Outfit landen 2002 in Tallinn auf Platz 13 und 2007 in Helsinki schafft es die ukrainische Wuchtbrumme Verka Serduchka alias Andrej Danilko im verrückten Sternendress bis auf den zweiten Platz. Den größten Erfolg verzeichnet jedoch nach wie vor Dana International, die 1998 in Birmingham den Sieg für Israel holt, obwohl die Transsexuelle streng genommen gar nicht zur Kategorie "Männer in Frauenkleidern" gehört. Die Dragqueen Conchita Wurst hingegen schon. Als bizarre Kreuzung aus Kim Kardashian und Harald Glööckler setzt sie mit ihrem haarigen Diven-Look noch einen drauf und kommt außerordentlich gut an in Kopenhagen: sie holt die ESC-Krone.
Und auch nach ihrem Sieg ist die außergewöhnliche Sängerin gut im Geschäft. Sie bringt ihre Biografie "Ich, Conchita" raus, veröffentlicht ein zweites Album und ist auch sonst viel unterwegs. Beim deutschen Vorentscheid 2015 in Hannover begeistert sie mit ihrem neuen Song "You Are Unstoppable".
Spiel mit Geschlechterrollen: Aus Conchita wird WURST

Die Rolle als bärtige Diva ist vergangenheit: Beim Wiener Opernball gibt sich Conchita Wurst betont männlich.
Die Sängerin trennt sich von einem Teil ihres Künstlernamens. Sie will nun nicht mehr Wurst heißen und nennt sich ab sofort nur noch Conchita. Sie setzt sich weiter für Toleranz ein und mehr und mehr gibt sie auch Persönliches preis. Im April 2018 macht Conchita ihre HIV-Infektion öffentlich. Sänger Thomas Neuwirth will mit seinem Coming-Out anderen Betroffenen Mut machen und ein Zeichen gegen die Stigmatisierung von Menschen setzen. Im Frühjahr 2019 vollzieht Thomas Neuwirth einen neuen Imagewechsel: Er veröffentlicht den Song "Trash All The Glam" - auf Deutsch "Wirf den Glamour in den Müll". Fortan dominiert nicht mehr die weibliche Seite bei seinen Auftritten: Statt Conchita nennt er sich nur WURST, und möchte nun als Mann gesehen werden.
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