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Alice & Ellen Kessler
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"Heute abend woll'n wir tanzen geh'n",
1959
in Cannes
(Finale)
(8. Platz, 5 Punkte)
Die Kesslers: Charme und Talent im Doppelpack
"Ich habe immer gesagt, die Ellen war mit einem Mann 20 Jahre zusammen und ich in einem Jahr mit 20", erzählt Alice Kessler 2008 scherzhaft in der Late-Night-Show "Inas Nacht". Die eineiigen Zwillinge verkehrten mit den größten Entertainment-Stars der 50er/60er Jahre: Fred Astaire, Sinatra, Elvis, Burt Lancaster, Rock Hudson. Doch berühmt wurden sie nicht durch Männergeschichten, sondern als Tänzerinnen und Sängerinnen im Doppelpack. Ihre Karriere begann in den 50ern im Pariser Lido. Sie gehörten zur weltberühmten Bluebell-Girls-Truppe, die mit ausschließlich großen und besonders schönen Tänzerinnen in Highheels und sexy Kostümen für Furore sorgte.
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Die aus Sachsen stammenden Zwillinge Alice und Ellen Kessler bekommen schon als Sechsjährige Ballettunterricht. Mit elf Jahren werden sie vom Kinderballett der Leipziger Oper aufgenommen. Nach der Flucht der Familie aus dem Osten, erhalten sie 1952 im Düsseldorfer Revuetheater Palladium ihr erstes Engagement als Tänzerinnen. Seitdem heißt es für die beiden: Nicht ohne meine Schwester!
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Von da an geht es für die Kessler-Zwillinge steil bergauf. 1955 bekommen sie einen Vertrag als Showtänzerinnen im weltberühmten Pariser Varieté Lido. Sie nehmen privaten Ballettunterricht und entwickeln sich in den kommenden Jahren zu einem der erfolgreichsten deutschen Show-Exporte aller Zeiten.
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Neben dem tänzerischen Können sind vor allem die knappen und aufreizenden Kostüme im Lido legendär und skandalträchtig. Bis 1960 gehören Alice und Ellen zum Ensemble der "Bluebell Girls", dem hauseigenen Damenballett.
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Wer ist wer? Ihre frappierende Ähnlichkeit wird schnell zum Markenzeichen der Schwestern, die sich bald auch als Schauspielerinnen und ab Ende der 50er-Jahre als Sängerinnen einen Namen machen. Damit verkörpern sie das "Fräuleinwunder" der Nachkriegszeit gleich im Doppelpack.
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Als Schauspielerinnen bleiben sie ihrem Metier, dem Tanz, stets treu. 1957 begeistern sie in dem Spielfilm "Scherben bringen Glück" die Zuschauer mit ihren langen Beinen, synchronen Tanzeinlagen und natürlich den knappen Kostümen.
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Etwas biederer ging es da schon im Heimat- und Schlager-Film "Mein Schatz ist aus Tirol" von 1958 zu. Alice und Ellen spielen darin die tanzenden Zwillinge Li und Lo.
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1959 sind die Kesslers an der Seite von Bibi Johns, Karlheinz Böhm und Harald Juhnke im deutschen Revuefilm "La Paloma" zu sehen - als Tänzerinnen. Wer hätte das gedacht? Internationales Flair bringt die amerikanische Jazzgröße Louis Armstrong mit einem Gastauftritt in die Komödie.
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Ebenfalls 1959 nominiert die ARD das Zwillingspaar als deutsche Teilnehmerinnen für den Grand Prix Eurovision in Cannes. Sie sollen mit dem Lied "Heut' möcht' ich bummeln" antreten. Weil den Schwestern der Titel aber nicht gefällt, wird er in "Heute abend woll'n wir tanzen geh'n" umbenannt. Damit landen sie auf dem achten Platz.
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1967 treffen die blonden Zwillinge bei Fernsehaufnahmen in München den amerikanischen Schauspieler George Hamilton. Der damals angesagte "Twiggy Look" färbt auch auf die Schwestern ab - Hamilton ist sichtlich begeistert. Für welche der beiden er sich wohl entschieden hätte?
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Der Flughafen von Rom wird zum zweiten Zuhause für die Schwestern. Von 1962 bis 1986 haben sie ihren Wohnsitz in Italien und sind auch dort Ikonen des Fernsehens. Im Alter von 40 Jahren ziehen sie sich für den italienischen "Playboy" aus. Das Magazin ist innerhalb von drei Stunden ausverkauft.
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Auf der Welle des Erfolgs tanzen die Kesslers auf Bühnen in New York, Las Vegas, London, Hongkong, Caracas, Rom, Paris, Monte Carlo, Athen, Barcelona, Buenos Aires und Sydney. Nach Paris - der Geburtsstätte ihres Erfolgs - kehren sie ebenfalls immer wieder zurück.
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"Let's Dance!" - Hätte es die Sendung in den 70er-Jahren schon gegeben, die Kesslers wären eine fachkundige Jury gewesen. Kaum eine Fernsehshow kommt zu dieser Zeit an den tänzerischen Einlagen der Zwillinge vorbei.
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Viel "Klimbim" gab's nicht nur im Lido. An der Seite von Ingrid Steeger (M.) zeigen die Kesslers 1974 ihr gesangliches und auch komödiantisches Talent in der Sketch-Show.
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"Das war spitze!" Insgesamt drei Mal sind die Kessler-Zwillinge ein Rateteam bei "Dalli, Dalli" mit Hans Rosenthal: 1974, 1978 und 1981.
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Ein bekanntes Bild: eine rechts, eine links, in der Mitte ein Mann. In diesem Fall ist es Johannes Heesters, mit dem die Kesslers 1975 in der TV-Sendung "Treffpunkt Herz" auftreten.
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Stars unter sich: 1976 treffen die Kesslers in München auf die Bambi-Preisträger Catherine Deneuve und Yves Montand.
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In den 80er-Jahren zählt Joachim Fuchsberger zu den beliebtesten Showmastern im deutschen Fernsehen. Und natürlich lässt es sich der smarte Moderator nicht nehmen, die Kesslers 1983 bei "Heut' abend" als Gäste zu haben. Einschließlich doppelter Umarmung!
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Deutsche Exportstars unter sich: Der Modezar Karl Lagerfeld und die Kessler-Zwillinge treffen sich 1992 in München.
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Alice und Ellen Kessler scheinen beinahe alterslos zu sein. Immer wieder sind sie Gaststars in TV-Shows, wie 2003 in der MDR-Sendung "Langer Samstag".
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Bei dem ganzen Auftrittsstress haben sich die Schwestern auch mal einen schönen Urlaub verdient. 2004 verbringen sie einen Teil des Sommers in der Villa ihres Freundes, dem italienischen Regisseur Franco Zeffirelli, in Positano an der Amalfi-Küste. Mit Ende 60 können sich die Kesslers auch in knappen Bikinis durchaus noch sehen lassen.
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48 Jahre nach ihrer ESC-Teilnahme in Cannes stehen sie wieder auf der Eurovisions-Bühne. Beim deutschen Vorentscheid 2007, den Thomas Herrmanns moderiert, verlesen die Kessler-Zwillinge den Gewinner. In dem Jahr setzt sich Roger Cicero mit "Frauen regier'n die Welt" gegen Heinz Rudolf Kunze und die Girlgroup Monrose durch.
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Werden sie selber musikalisch aktiv, stehen eher Schlager und Evergreens auf dem Programm. 2008 treten die Kesslers mit Max Greger in Carmen Nebels "Die schönsten Weihnachts-Hits" auf.
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Gruppenbild mit Hut: 2010 treffen die Kesslers bei einer Premiere im Hansa Theater in Hamburg Udo Lindenberg. Schönen Frauen nie ganz abgeneigt, nimmt auch der Panik-Rocker die typische "Haltung" ein: eine rechts, eine links.
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Gelernt ist gelernt! Wer einmal den Hüftschwung drauf hat, verliert ihn nicht mehr. Auch nicht mit 78 Jahren. Alice und Ellen können 2014 auf einer Modenschau während der Berliner Fashion Week durchaus mit ihren jüngeren Kolleginnen mithalten.
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Im Udo-Jürgens-Musical "Ich war noch niemals in New York" in Berlin teilen sich 2015 Alice und Ellen die Rolle der Maria Wartberg. Beim Fototermin zeigen sie, dass sie das Posieren vor der Kamera noch nicht verlernt haben.
Aus dem sächsischen Nerchau ins Pariser Lido
Ein rasanter Aufstieg, denn geboren werden die Zwillinge am 20. August 1936 in eine ganz normale Familie in der sächsischen Kleinstadt Nerchau - Vater Maschinenbauingenieur, Mutter Hausfrau. Vater Paul Kaessler, so der eigentliche Familienname, ist besonders stolz auf seine nahezu identisch aussehenden Mädchen. Der strenge, dem Alkohol zugeneigte Patriarch versäumt keine Gelegenheit, mit ihren Talenten anzugeben. Ständig müssen sie akrobatische Übungen vorführen und Lieder auf ihren Akkordeons zum Besten geben. Der väterliche Ehrgeiz zahlt sich in künstlerischer Hinsicht bald aus. Mit elf gehören Alice und Ellen zum Kinderballett der Leipziger Oper. Nach der Flucht der Familie aus der DDR bekommen sie 1952 im Düsseldorfer Revuetheater Palladium ihr erstes Engagement als Tänzerinnen - doch die rheinische Kulturstätte kann die beiden nicht lange halten. Der Direktor des berühmten Pariser Lido wird auf die langbeinigen "Klone" aufmerksam und holt sie 1954 an die Seine. Hier lernen die Kesslers Stammgast Elvis kennen, der von ihren Hintern begeistert ist, wie sie in der Talkshow Markus Lanz erzählen. Bei Rock Hudson blitzt Alice ab, bei Burt Lancaster nicht. Schnell sind die Blondinen selbst so berühmt wie ihre prominenten Bekannten.
Film- und Gesangskarriere auch in Deutschland
Dass zwei Deutsche in Paris den Männern den Kopf verdrehen, bleibt natürlich auch in ihrem Heimatland nicht unbemerkt. 1955 debütieren die Zwillinge in dem deutschen Spielfilm "Solang' es hübsche Mädchen gibt". Bis Mitte der 60er spielen sie in Streifen dieses Kalibers mit, auch in französischen und italienischen Produktionen. Tanzen, Schauspielern, fehlt nur noch Singen. Damit starten Alice und Ellen 1958 und nehmen ihre erste Single auf. Trotz mäßigen Erfolgs als Sängerinnen nominiert die ARD die Zwillinge als deutsche Teilnehmerinnen für den Grand Prix Eurovision in Cannes. Eigentlich sollten die Kesslers mit dem Titel "Heut' möcht' ich bummeln" antreten, doch das war ihnen zu bieder. Sie bestanden auf einer Änderung einiger Liedzeilen. Mit der finalen Version "Heute Abend woll'n wir tanzen geh'n" landeten sie in Cannes auf Platz acht unter elf Teilnehmern. Das mäßige Ergebnis kann ihrer Karriere nichts anhaben. Es folgen Plattenerfolge als Trio mit Peter Kraus und auch international läuft es weiterhin blendend für die Schwestern. Bis 1960 sind sie parallel zu den anderen künstlerischen Aktivitäten im Lido engagiert, dann werden sie von einem italienischen TV-Boss abgeworben und schreiben Fernsehgeschichte in dem erzkatholischen Land: Sie sind die ersten Showgirls im italienischen Fernsehen und dürfen als erste weibliche Protagonisten Bein zeigen, allerdings nur in blickdichten Strumpfhosen.
Tanzen auf den großen Showbühnen der Welt
Auf der Höhe des Erfolgs tanzen die Kesslers auf Bühnen in New York, Las Vegas, London, Hongkong, Caracas, Buenos Aires und Sydney. Auch nach Paris kehren sie immer wieder zurück. In den 60ern war der deutsche Exportschlager 14 Mal zu Gast in der legendären Ed-Sullivan-Show. Hier trafen die jungen Frauen aus Sachsen weitere große Stars, etwa Frank Sinatra, Dean Martin, Bing Crosby, Harry Belafonte und Sammy Davis jr. Sinatra soll nach seiner ersten Begegnung mit dem Zwillingspaar ausgerufen haben: "Shame - I just got married!"
Dauergast im deutschen und italienischen Fernsehen
Ausschnitt aus der Sendung DAS!
In Italien und Deutschland gehören die Kesslers über Jahrzehnte zu den großen Stars der TV-Unterhaltung. Von 1962 bis 1986 haben sie ihren Hauptwohnsitz in Rom. Mitte der 70er werden die Zeiten auch dort lockerer. 1976 ziehen sich die Zwillinge im Alter von 40 Jahren für den italienischen Playboy aus. Das Heft ist innerhalb von drei Stunden ausverkauft.
Im deutschen Fernsehen der 70er/80er Jahren kommt kaum eine Unterhaltungshow ohne die Kesslers aus. Sie fegen in den Sendungen von Peter Alexander, Peter Frankenfeld oder Hans-Joachim Kulenkampff übers Parkett, zeigen an der Seite von Ingrid Steeger in der Nonsens-Show "Klimbim" ihr komödiantisches Talent, raten gleich dreimal bei Hänschen Rosenthals "Dalli Dalli" als Zweierteam mit und wetteifern in Blacky Fuchsbergers Spielshow "Auf Los geht's los".
Hüften schwingen mit 79
Bis heute sind die Kesslers begehrte Fernsehgäste im deutschen TV. 2007 kommen sie noch einmal auf die ESC-Bühne zurück und verkünden beim deutschen Vorentscheid den Gewinner Roger Cicero mit "Frauen regier'n die Welt". 2011 haben die Blondinen einen skurrilen Gastauftritt im Tatort mit Ulrich Tukur. Darüber hinaus bleiben sie der Theaterbühne treu - auch im hohen Alter: 2015 in Berlin und München und 2016 in Wien sind Alice und Ellen ausnahmsweise mal nicht im Doppelpack zu sehen. In dem Udo-Jürgens-Musical "Ich war noch niemals in New York" spielen sie abwechselnd die Rolle der Maria Wartberg - praktisch ein Zwilling zu sein.
Ohne einander geht es nicht

Die Kesslers waren heiß begehrt, aber nie verheiratet.
Auch wenn es nicht immer harmonisch zwischen den Schwestern zugeht - ohne einander geht es nicht. Sechs Wochen am Stück war die längste Zeit der Trennung in ihrem bisherigen Leben. Alice war auf Weltreise, hält aber alles in einem Tagebuch für die Schwester fest. Verheiratet waren Alice und ihre 45 Minuten jüngere Schwester nie. Heute leben sie in München-Grünwald in einem Doppelhaus. Jeder hat sein eigenes Reich - doch zwischen den Wohneinheiten gibt eine große Schiebetür.
