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Salvador Sobral
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"Amar pelos dois",
2017
in Kiew
(Finale)
(1. Platz, 758 Punkte, davon 382 Jurypunkte)
Salvador Sobral: Wenn Musik gewinnt
Schritt für Schritt hat sich der Portugiese Salvador Sobral vom relativ unscheinbaren Jazz-Barden zum gefeierten Musikhelden des Eurovision Song Contest 2017 gemausert. Beim Finale in Kiew ist es ihm zum Schluss sogar gelungen, den lange favorisierten Italiener Francesco Gabbani zu überholen und als erster Portugiese überhaupt den ESC-Sieg einzufahren.
Sieger Salvador Sobral singt "Amar pelos dois"
Salvador Sobral ist der strahlende Sieger des Eurovision Song Contest 2017. Mit dem melancholischen Jazz-Walzer "Amar pelos dois" gewinnt er den Titel für Portugal.
"Amor pelos dois" - ein Song, der berührt
Mit der Jazz-Ballade "Amar pelos dois" (Lieben für zwei) gewinnt Salvador Sobral Anfang März den portugiesischen ESC-Vorentscheid "Festival da Canção" in Lissabon. Der 27-jährige Musiker, der aus einer alten Adelsfamilie stammt, setzt bei seinem Auftritt auf Gefühl und Stimme statt auf eine spektakuläre Show mit Tänzern, Lasereffekten und Pyrotechnik. Als ob sein großes Vorbild, die im Jahr 1988 verstorbene Jazz-Legende Chet Baker, seinen Klassiker "My Funny Valentine" zum Besten gibt, intoniert auch Sobral seinen Song mit geschlossenen Augen - fast regungslos, aber konzentriert, immer wieder unterbrochen von befremdlich wirkenden Kopfbewegungen, die dem Stück noch mehr Ausdruck verleihen. Der langsame Song voller Melancholie bringt seine grandiose Stimme voll zur Geltung, selbstbewusst verharrt er in den ruhigen Passagen und zaubert dem Publikum eine Gänsehaut auf den Rücken.
Vom angehenden Psychologen zum Vollblut-Musiker
Durch die Teilnahme bei der TV-Castingshow "Idols" macht Salvador Sobral erstmals im Jahr 2009 in der Öffentlichkeit von sich reden, als er den siebten Platz belegt. Zugunsten eines Lebens als Musiker bricht er sein Psychologie-Studium in Lissabon ab, um sich Inspirationen in den USA zu holen. Zurück in Europa studiert er Jazz an der renommierten "Taller de Musics" in Barcelona. Erste eigene Musikprojekte sind stark beeinflusst von Chet Bakers Jazzstücken, dem brasilianischem Bossa nova sowie anderen lateinamerikanischen Klängen. 2016 erscheint schließlich Salvador Sobrals Debütalbum "Excuse Me". Bei der Produktion der Songs arbeitet er eng mit dem venezolanischen Komponisten Leonardo Aldrey und auch seiner älteren Schwester, Jazz-Musikerin Luísa Sobral, zusammen.
Komposition und Text von Schwester Luísa
Aus ihrer Feder stammt sowohl der portugiesische Liedtext als auch die Komposition des unaufgeregten Jazz-Songs "Amor pelos dois", mit dem Sobral beim ESC in Kiew antritt. Luísa ist während seiner Auftritte stets an seiner Seite, übernimmt sogar seine Proben in Kiew, als er daran krankheitsbedingt nicht teilnehmen kann. Für eine Fernsehshow mit einem europaweiten Millionen-Publikum erscheint seine minimalistische Performance zunächst kaum kompatibel. Doch sein Auftritt wird zu einem Sieg der "Musik, die etwas bedeutet", so Sobral in seiner Gewinnerrede. "Wir leben in einer Welt völlig austauschbarer Musik - Fast-Food-Musik ohne jeden Inhalt", erklärt er nach der Übergabe der ESC-Trophäe, "Musik ist kein Feuerwerk. Musik ist Gefühl. Lasst uns versuchen, etwas zu ändern und die Musik zurückzubringen!"
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Mit einer Melancholie, die unter die Haut geht, singt Salvador Sobral im Finale des "Festival da Canção" Mitte März seine Jazz-Ballade "Amar pelos dois". Damit gewinnt er den portugiesischen ESC-Vorentscheid und löst das Ticket nach Kiew.
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Geschrieben hat die gefühlvolle Ballade seine Schwester Luísa Sobral, die ebenfalls eine bekannte Jazz-Musikerin ist. Auch für sein erstes Album "Excuse Me" hat sie ihm einen Song komponiert: "I Might Just Stay Away" ist eine Hommage an Salvador Sobrals Vorbild, die Cool-Jazz-Legende Chet Baker.
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Schwester Luísa springt auch bei den ersten Proben in Kiew als Licht- und Gesangsdouble für Salvador ein. Sie singt den Song fast so gefühlvoll wie ihr Bruder.
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Sobrals Bühnenshow für Kiew ist minimalistisch, wie sich dann bei seinen ersten Proben zeigt. Fast bewegungslos, auf der Stelle stehend, trägt er sein Lied mit weicher Stimme in Denker-Pose vor. Um seinem Song noch mehr Ausdruck zu verleihen, variiert er verschiedene Handposen, bei denen er die gefalteten Finger in unterschiedlichen Positionen vor der Brust hält.
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Auf dem roten Teppich zur offiziellen Eröffnungsfeier in Kiew wird Salvador natürlich auch von seiner Schwester begleitet.
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Salvador für ein Interview zu bekommen, ist gar nicht so einfach. Eurovision.de gibt der Portugiese auf dem roten Teppich dann aber doch ein paar Antworten. Dass er Nachholbedarf habe, weil er nicht bei den ersten Proben dabei war, glaubt er nicht. "Ich muss mich einfach hinstellen und singen", sagt er.
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Und so einfach, wie es sich der Portugiese vorstellt, scheint es dann auch zu sein. Als der Sänger beim ersten Halbfinale auf der Bühne steht, ist es auf einmal ganz still in der Halle, alle hören dem sehr verletzlich wirkenden Salvador aufmerksam zu.
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Er trifft mit seiner gefühlvollen Jazz-Ballade anscheinend viele Zuschauer mitten ins Herz. Der Jubel nach seinem Auftritt ist groß und trägt ihn direkt ins Finale.
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Es berührt den Portugiesen sehr, dass die Menschen seinen Song verstanden haben. Musik sei eben eine universelle Sprache. Und wer mit dem Herzen singe, werde verstanden.
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Im Greenroom jubelt das portugiesische Team und der Hallenliebling Salvador freut sich auf seinen Auftritt in der ersten Hälfte des großen Finales.
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Doch vorher nutzt der Portugiese die Gelegenheit für ein paar nachdenkliche Worte. In der Pressekonferenz nach dem Halbfinale fordert er mehr Menschlichkeit im Umgang mit Flüchtlingen - und bekommt dafür viel Beifall.
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Auch im Finale schafft es der Portugiese wieder innerhalb weniger Sekunden, die Bühne zu seiner zu machen, das Publikum ist begeistert.
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Fast regungslos, sehr konzentriert, intoniert Sobral seinen Song mit geschlossenen Augen und manchmal merkwürdig anmutenden Gesten.
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"Amar pelos dois": Der Song über die Liebe, melancholisch schön, bringt seine grandiose Stimme zur Geltung und das Publikum ist erneut verzaubert.
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Und dieser Zauber führt ihn zum Sieg, zum ersten Sieg für Portugal im Eurovision Song Contest. Dafür bedankt sich Salvador auch bei seiner Schwester Luísa, die diesen Moment mit ihm zusammen auf der Bühne genießt.
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Bei der anschließenden Pressekonferenz spricht der glückliche Gewinner über die Musik, über Gefühle, die Musik auslösen kann, Musik, die etwas bedeutet und dass echte Kunst kein Feuerwerk braucht.
Langes Warten auf Herztransplantation
Wie schlecht es dem Sänger während der ESC-Zeit im Mai tatsächlich ging, darüber gab es nur Spekulationen. Gerüchte über eine bevorstehende Herztransplantation machten die Runde. Nach seinem Sieg in Kiew verbrachte Sobral aber zunächst den Sommer mit vielen Auftritten und Konzerten. Doch Anfang September gab er bekannt, sich aufgrund von gesundheitlichen Problemen von den Bühnen zurückzuziehen. Kurz darauf musste er wegen seines immer schlechter werdenden Gesundheitszustands auf die Intensivstation eines Krankenhauses in Lissabon. Dort wurde ihm Anfang Dezember ein neues Herz transplantiert. Seit eineinhalb Jahren hatte der Sänger schon auf ein Spenderherz gewartet. "Die Operation ist sehr gut verlaufen. Wenn alles gut geht, wird er ein völlig normales Leben haben, und er hofft, dass das sobald wie möglich geschehen wird", zitierte die Zeitung "Público" den Chirurgen Miguel Abecasis nach einer Pressekonferenz.
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