Eurovision in Concert: Der Phönix fliegt los
Conchita, Conchita! Wenn es nach dem internationalen Publikum im Kultclub Melkweg in Amsterdam ginge, wäre kristallklar, wer in Kopenhagen die ESC-Krone mit nach Hause nimmt. Eine Woge der Begeisterung schlägt der Künstlerin entgegen, als sie im kleinen Schwarzen, fast bewegungslos, zeigt: Bei mir sitzt nicht nur der Bart perfekt. Bei mir sitzt jeder Ton und ich weiß, wie großes Kino geht! Es ist die genutzte Chance der Österreicherin, bei Eurovision in Concert Zweifel auszuräumen, dass "Rise Like A Phoenix" eine großartige und James-Bond-hafte Ballade ist, bei der sie mühelos jeden Ton erreicht - und jeden im Publikum.
Boygroups bringen Bewegung in den Saal
Viele der anderen 24 Teilnehmer dieses Abends zeigen jedoch, dass sie ebenbürtige Kandidaten sind. Dass es beim Song Contest ums Singen, nicht vorrangig ums Siegen geht. Mit Inbrunst hüpfen Fans aus ganz Europa im ausverkauften Saal zu den eingängigen Rhythmen der Boygroups Twin Twins aus Frankreich und Freaky Fortune feat. Risky Kidd aus Griechenland. "Rise Up" dürfte diesen Sommer auf vielen Partys ein Hit werden. Die Spanierin Ruth Lorenzo schmeißt ihre wallenden Locken nach hinten und schmettert - ohne den Bogen zu überspannen - ihre selbst geschriebene Ballade "Dancing In The Rain" in den Raum. Die Fans formen dazu Herzen mit ihren Händen.
Geburtstagslied für Aram aus Armenien
Einer der Favoriten schlechthin erlebt hingegen in Amsterdam Höhen und Tiefen. Der Sänger und Schauspieler Aram Mp3 führt bekanntlich in den Wetten an. Doch die Kontroverse, derzufolge der Armenier bei einer Pressekonferenz abfällig über Conchita geredet haben soll, geht nicht spurlos am Publikum vorbei. Das sei alles ein Missverständnis, sagt der Sänger nach seinem Auftritt, der unter Buh-Rufen beginnt. "Ich bin nicht homophob, Conchita und ich haben alles geklärt", erläutert der Sänger. Ein Ständchen zu seinem Geburtstag kriegt er dann doch, denn er wird an diesem Tag 30 Jahre alt. Seine Performance des Favoritensongs "Not Alone" bringt er zwar stimmsicher, da der Song aber keinen Refrain hat, wird sich erst in Kopenhagen zeigen, wie Aram den Auftritt spannend gestalten will. Im persönlichen Gespräch mit eurovision.de wollte er hierzu noch nichts verraten.
Der Spaß soll nicht zu kurz kommen
"Vergesst nicht den Spaß an der Sache", hatte Sietse Bakker, Event Supervisor der European Broadcasting Union, den Kandidaten des Jahrgangs am Nachmittag mit auf den Weg gegeben. Stunden vor dem Konzert waren die Künstler das erste Mal zu einer Art Mini-Pressekonferenz in Anwesenheit von Emmelie de Forest und DR-Unterhaltungschef Jan Lagermand Lundme zusammengekommen. Bakker sagte, es sei eine Gefahr, vor lauter Aufregung, Proben und Terminen diese große Gelegenheit des ESC ohne genügend Spaß und Freude zu feiern.
Jöran aus Lettland - geborener Entertainer
Drei Künstler aus Krisenregionen zeigen eindrucksvoll genau dies. Maria Yaremchuk aus der Ukraine bringt eine spritzige Bühnenperformance zu ihrem launigen Up-Tempo-Song "Tick-Tock", die Portugiesin Suzy singt hüftbetont ihre Lambada-Variante und lässt dabei Ausschnitt-technisch tief blicken. Einer aber läuft am Nachmittag wie ein Wiesel zwischen Soundcheck und Interviews hin und her, singt und spricht mal eben auf Spanisch mit Ruth Lorenzo am Klavier, unterhält den Melkweg mit holländischen Liedern und versprüht auch auf Lettisch, Deutsch und Englisch eine so ansteckende Energie, wie man sie vom Norweger Alexander Ryback kennt: Jöran Steinhauer von Aarzemnieki aus Lettland. Der gebürtige Deutsche verkörpert den Geist, den auch die ehrenamtlichen Macher vom Team von Eurovision in Concert leben: Mit Begeisterung bei der Sache sein, aus knappen Ressourcen das Beste machen, damit alle bei diesem Familientreffen auch ohne aufwendige Bühnenshow gute Musik liefern und genießen können. Bislang war noch nie ein späterer Sieger in Amsterdam. Das könnte sich dieses Jahr geändert haben.