Forderungen nach Ausschluss von Israel vom ESC werden lauter
Öffentlich-rechtliche Sender aus Spanien und Island sowie ehemalige ESC-Acts fordern aufgrund der Situation in Gaza den Ausschluss Israels vom Wettbewerb. So auch Vorjahressieger Nemo. Doch die EBU sieht keinen Handlungsbedarf.
Weniger Politik beim ESC: Eigentlich sollte 2025 alles anders werden als im Vorjahr. Damals gab es in Malmö Buhrufe und Morddrohungen gegen die israelische Teilnehmerin Eden Golan sowie pro-palästinische Symbolik. So trug der schwedische Sänger Eric Saade in der Finalshow ein Palästinenser-Tuch. Jetzt erlebt die ESC-Community eine Art Déjà-vu. Demos für ein freies Palästina in Basel angekündigt
Angelehnt an das ESC-Logo, sind auf Basels Straßen handgemalte Herzen zu sehen, gefüllt mit den Farben der palästinensischen Flagge. Rote Blutspritzer umrahmen das Motiv. Darunter steht: "ESCalate for Palestine", zu Deutsch "freies Palästina". Und - wie schon in Malmö - müssen die Veranstalter mit mehreren Demos rechnen. Aktivisten haben für den Finaltag am 17. Mai eine große Kundgebung auf dem Barfüsserplatz mitten im Zentrum der Stadt angekündigt, heißt es in der Basler Zeitung.
Bevölkerung in Gaza befürchtet Vertreibung
Der Grund: Israels anhaltendes aggressives Vorgehen im Kampf gegen den Terror. Der rechtsextreme israelische Politiker Bezalel Smotrich hat unlängst eine vollständige Zerstörung des Gazastreifens und die Vertreibung der Einwohner angedroht, berichtet die Nachrichtenagentur dpa. Außerdem greift das Land immer wieder Ziele im Jemen, im Libanon und in Syrien an. Seit November 2024 gibt es einen Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen Israels Premier Netanjahu. Der Vorwurf: Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Ende April eröffnete der Internationale Gerichtshof in Den Haag außerdem ein Verfahren zu Israels Verpflichtungen gegenüber den Vereinten Nationen im Zusammenhang mit der völkerrechtswidrigen Besetzung palästinensischer Gebiete.
Spaniens Sender RTVE fordert Debatte um Ausschluss Israels
Doch Israel ist weiter Teil des ESC, obwohl eine Reihe von Ländern und Künstlern den Ausschluss des Landes fordern. Schon im April meldete der spanische Sender RTVE Bedenken wegen Israels Teilnahme beim diesjährigen ESC an. Die Rundfunkanstalt fordert "eine Debatte über die Teilnahme des israelischen öffentlich-rechtlichen Fernsehens Kan an dem Wettbewerb." Island und Slowenien haben sich dieser Forderung angeschlossen. Die Europäische Rundfunkunion (EBU) nahm den Einwand zur Kenntnis.
Ebenfalls im April äußerten 26 Mitglieder des Europäischen Parlaments Bedenken an einer Teilnahme Israels. In ihrer Antwort betonte die EBU, dass der Eurovision Song Contest ein kulturelles Ereignis zwischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und nicht zwischen Regierungen sei. Der israelische Sender Kan sei Vollmitglied der EBU und nehme seit 1973 am Wettbewerb teil.
Ehemalige ESC-Acts kritisieren die EBU in einem Brief

Doch die Kritik reißt nicht nicht ab: Mittlerweile fordern über 70 ehemalige Eurovision-Teilnehmer in einem Brief an die EBU den Ausschluss Israels vom Wettbewerb, darunter Salvador Sobral. Der Portugiese hatte den Contest 2017 gewonnen. Sie werfen Kan vor, "an Israels Völkermord an den Palästinensern im Gazastreifen mitschuldig" zu sein. In dem Brief an die Rundfunkunion erklären die Künstler: "Indem die EBU weiterhin die Repräsentation des israelischen Staates zur Schau stellt, normalisiert und beschönigt sie dessen Verbrechen." Auch Vorjahressieger Nemo schließt sich der Kritik an: "Ich stehe nicht dahinter, dass Israel teilnimmt", zitiert das Online-Portal "Huffpost UK" Nemo. "Ich unterstütze Aufrufe, Israel vom ESC auszuschließen. Israels Vorgehen verstößt grundlegend gegen die Werte, die Eurovision hochzuhalten vorgibt - Frieden, Einheit und Achtung der Menschenrechte", so Nemo in einer weiteren Stellungnahme.
Die EBU bleibt indes bei ihrer Haltung:
"Wir verstehen die Sorgen und tief verwurzelten Ansichten rund um den aktuellen Konflikt im Nahen Osten. Die EBU ist nicht immun gegen globale Ereignisse, aber gemeinsam mit unseren Mitgliedern ist es unsere Aufgabe, sicherzustellen, dass der Wettbewerb - im Kern - ein universelles Ereignis bleibt, das durch Musik Verbindungen, Vielfalt und Inklusion fördert. Es ist nicht unsere Aufgabe, Konflikte miteinander zu vergleichen. Im Rahmen ihrer Mission, eine nachhaltige Zukunft für öffentlich-rechtliche Medien zu sichern, unterstützt die EBU das israelische Mitglied Kan gegen die Gefahr einer Privatisierung oder Schließung durch die israelische Regierung. Die EBU steht weiterhin im Einklang mit anderen internationalen Organisationen, die ihre inklusive Haltung gegenüber israelischen Teilnehmern an großen Wettbewerben ebenfalls beibehalten haben." Martin Green, Direktor des Eurovision Song Contest
ESC ist ein wichtiges Feld für israelisches Engagement
Allerdings sieht Israel - anders als die EBU - in dem Contest längst nicht mehr nur ein kulturelles Ereignis. Eran Cicurel, Redakteur bei Kan, räumte in der Jerusalem Post ein, dass der Eurovision Song Contest "schon lange mehr als nur ein Musikereignis ist; er ist ein wichtiges Feld für israelisches Engagement." Dem Sender droht eine mögliche Privatisierung durch die israelische Regierung - die Schließung wäre ein Geschenk an die Boykott-Bewegung, so Cicurel weiter.
Israel warnt vor Reisen zum Eurovision Song Contest
Im Zuge der angekündigten, möglicherweise gewaltsamen, Proteste warnt Israels Nationaler Sicherheitsrat unterdessen Juden und Israelis den Eurovision Song Contest zu besuchen. Er rät zu Zurückhaltung und vermehrter Wachsamkeit. Außerdem empfiehlt er Israelis beim Besuch in Basel keine jüdischen oder israelische Symbole zu zeigen, und den Aufenthaltsort nicht in sozialen Medien preiszugeben.