Stand: 16.07.2014 12:22 Uhr

Sommerpause? Nicht für den ORF!

Jean Paul Gaultier kniet auf einem Laufsteg vor Conchita Wurst, die eines seiner Brautkleider trägt. © dpa-Bildfunk Foto: Ian Langsdon
Der Terminkalender von Conchita Wurst ist voll: Auf einer Modenschau von Jean Paul Gaultier in Paris schritt sie als Braut über den Catwalk.

Nicht, dass der ESC selbst im Tiefschlaf versunken wäre: Davon abgesehen, dass am Wochenende in Berlin ein feines ESC-Treffen stattfinden wird, ist es doch so, dass alle Welt momentan an Conchita Wurst teilhat. Man kann nicht sagen in sängerischer Hinsicht. Aber wo die Welt des Glamours Catwalks bereit hält, ist sie stets ein umjubelter Gast. Audienz bei Jean-Paul Gaultier, Christopher-Street-Parade in Zürich, hier und dort ein Lokaltermin im Österreichischen - die ESC-Siegerin von Kopenhagen hat tüchtig zu tun. Nebenbei überlegt man im Wurst-Team, wie man die folgende CD bestücken sollte. Denn ein Album fehlt noch. Man erwartet es für das Ende des Jahres - gut Ding, wie immer, muss offenbar Weile haben.

Planungsmarathon beim ORF

Der ORF hingegen, der öffentlich-rechtliche ESC-Sender 2015 in Österreich, hat nicht minder ein volles Programm zu bewältigen. Und zwar hinter den Kulissen. Die Wahl der ESC-Stadt, Wien, Graz und Innsbruck sind noch im Rennen, wird erst im Spätsommer bekannt gegeben. Aber bis dahin muss alles Mögliche geprüft werden. Zur Erinnerung: Malmö wurde es in Schweden, weil in Stockholm die Kosten zu hoch gewesen wären und zeitgleich die Eishockey-WM lief. Die schonische Stadt gegenüber von Kopenhagen erhielt den Zuschlag, weil man sich, nach dem tristen ESC 1992, gern als frisch renovierte Stadt der Welt präsentieren wollte. Ist gelungen! - muss man anfügen. Im Zusammenhang mit der Wahl der ESC-Stadt geht es also nicht allein um die Wahl einer Halle und die Zählung der Hotelkapazitäten. Sondern auch, wie sehr sich eine Stadt ins Zeug legt, um der Fernsehproduktion des ESC ein festliches Beiprogramm zu geben. Man könnte sagen: Ohne kommunale Zusage für ein Rahmenprogramm gibt es keinen ESC-Zuschlag. Das war früher, bis in die späten 90er-Jahre undenkbar, ja, wurde überhaupt nicht für erwägenswert gehalten. Dass eine ESC-Stadt mit allem möglichen während der ESC-(Proben-)Tage wirbt, etwa Ausstellungen (Düsseldorf), eine Fanmeile einrichtet (Oslo am Pier) oder gar einen ESC-Regenbogen-Stadtplan entwirft (Helsinki) ist neu in der ESC-Geschichte.

Kosten vs. Imagegewinn

Eindrücke von Kopenhagen © NDR Foto: Oliver Klebb
Ob der ESC nachhaltig mehr Touristen nach Kopenhagen spült, lässt sich schwer einschätzen.

Dafür müssen aber Gelder aus den Marketingbudgets der betroffenen Kommunen locker gemacht werden. Angeblich ist das für Städte sehr lukrativ, wie man nun im österreichischen Blatt "Kurier“ lesen konnte. Ich halte solche Zahlen immer für ein wenig willkürlich ermittelt. Kann Kopenhagen in der Folge des ESC tatsächlich auf mehr Besucher, auf zahlungskräftige Touristen hoffen - ja, auf sie setzen? Glaube ich nicht so recht. Die dänische Hauptstadt ist ohnehin schmuck und schön. Sie brauchte den ESC nicht, um im globalen Tourismus eine fette Nummer zu sein. Aber: Es geht ja auch um Fragen des Prestiges, und Kopenhagen war in Dänemark beinahe alternativlos. Für Moskau 2009 war es piepegal, ob man ein Rahmenprogramm hatte oder nicht: Dementsprechend gab es wenig - gemessen an dem, was etwa 2007 in Helsinki war. Belgrad 2008 hatte so gut wie nichts vorbereitet, dafür aber Baku 2012 jede Menge (inklusive sehr politischer, sehr bedrückender Erfahrungen für einige, vor allem aber für Bakuer Einwohner).

Generell geht es darum, dass ein Sender nicht bankrott geht an diesem Event: Irland, Dublin besonders, fürchtete 1995 nichts mehr, als schon wieder, zum vierten Mal in Folge zu gewinnen. Jetzt, in der Sommerpause, in den Ferien, wo alle Welt irgendwie weg ist, wird beim ORF gerechnet. 25 Millionen Euro soll der ESC 2015 voraussichtlich kosten, aber so genau weiß das niemand, und wir werden es ohnehin nicht erfahren. Fast alle Zahlen hält die EBU, verantwortlich für den ESC in der Eurovision, geheim: Wie viel jedes Land anteilig zu zahlen hat bei einer Teilnahme, wie viele der Kosten überhaupt ein Gastgeber in Anschlag bringen darf - jedenfalls nicht jene Gelder, die zum kulturellen Beiprogramm zu zählen sind.

Zahlen machen Politik

Außenansicht der beleuchteten Stadthalle in Wien © Bildagentur Zolles
Findet der ESC 2015 in der Wiener Stadthalle statt? In Kürze wird der ORF seine Entscheidung präsentieren.

Insofern sind alle Summen und Kalkulationen, die momentan genannt werden, mit Vorsicht zu genießen. Sie dienen überwiegend der internen Positionierung: 25 Millionen Euro? Das ist für drei Dutzend Länder mit drei Shows nicht viel, obwohl die Zahlen beeindruckend klingen. Wahr ist, ohne sehr genaue Zahlen zu kennen: Kopenhagen war am teuersten im Hinblick auf die Halle, die in einer Werftruine angesiedelt wurde. Sicher ist nichts: Mit Zahlen wird Politik gemacht, und dass Wien es am Ende werden wird, hält man in Österreich für ausgemacht. Dass aber Wien sich besonders profilieren muss - das glaubt vielleicht am Ende irgendein Wiener selbst. Niemand aber, darauf kommt es an, sonst.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 10.05.2014 | 21:00 Uhr