Erstes Halbfinale: Eine Prognose und Analyse
Sichere Finalisten und Favoriten
Er sieht mit seinen Tänzern im Sakko und Slim-Fit-Hose wie ein Dressman aus: Robin Bengtsson macht typisch eurovisionäre Schwedenmucke, tanzbar, gefällig, steril. Er kommt ebenso weiter wie Belgiens Blanche mit ihren sphärischen "City Lights". Aserbaidschans Dihaj hinterlässt zwar viele Rätsel mit ihrem Lied "Skeletons", aber von den Inszenierungen dieses Semis gehört ihre zu den allerbesten, streckenweise erinnert ihr Lied an die Vertonung eines Bertolt-Brecht-Gedichts. Schon bei der ersten Generalprobe erhält er Beifall: Portugals Salvador Sobral - und er singt noch expressiver als beim Sieg in der Vorentscheidung. Das SunStroke Project ist fröhlich, wahrhaft sonnenstichig und tanzbar - und eine perfekte Hymne für den nahenden Muttertag am kommenden Sonntag, original aus Moldau.
Herausforderer mit Wackelstatus
Eines der schönsten Lieder dieses Contests ist "Blackbird" von Norma John - es dräut und dunkelt, vielleicht ein wenig zu viel. Finnland hat einen starken Act nach Kiew geschickt. Griechenlands Demy wirkt teuer, hat ein bezauberndes Lächeln am Schluss, das Kleid ist aprikosenfarben, aber das Lied nervt sich in die Ohren, so könnte das reichen. Artsvik aus Armenien probiert es mit der einzigen ethnopop-aufgeladenen Nummer dieses ESC - gefällig und fein. Lettland und sein Triana Park ist, fast klassisch inzwischen für dieses Land, elektrosound-durchwirkt: "Line" verfängt gut. Das Finale ist möglich.
Außenseiter und strauchelnde Favoriten
Australien ist eine ESC-Macht in gewisser Weise. Aber Isaiahs Lied schleppt sich langsam wie der Dnepr an der Halle und wird bis zur allerletzten Sekunde nicht besser. Eventuell verhilft die Pyrotechnik ihm doch zum Weg ins Finale. Georgien und seine Sängerin Tamara Gachechiladze bieten nur viel kreischende Höchstnoten - und außerdem einen prima Chor als Begleitung. Montenegro schickt Slavko: Er trägt den Zopf des Abends und dazu eine glänzende Hose - eingängig im Rhythmus. Das Lächeln am Ende wirkt freilich übersteuert. Auch Island hat mit Svala nur eine kleine Chance: ein singender Eisberg im wehenden Cape über weißem Tankwartsanzug, darunter Plateauschuhe. Tschechien und seine Martina Bartá kommen mit "My Turn" (und sie singt, als stamme sie aus dem Fränkischen: "Mai Dörn") - sie in bronzener Frischhaltefolie gewandet, der Gesang (noch) ängstlich. Zypern schließt nur deshalb ohne Null ab, weil ja zwölf Punkte aus Griechenland garantiert sind: Hovig singt einen ESC-Schlager der konventionellsten Sorte.
Schlechte und Beklagenswerte
Albanien und seine Lindita - das ist die Geschichte über ein Kopftuch, eine schreiend-gellende Stimme und viel Gazestoff am Körper. Mehr steckt da nicht drin. Kasia Moś aus unserem Nachbarland Polen darf, ja muss, auf Televoter polnischer Prägung in mitstimmenden Ländern hoffen. Sie serviert die volle Schnulzdröhnung. Und Slowenien und Omar Naber? Ich bitte euch!
Der Modus der Konkurrenz
Für 18 ESC-Länder geht es im ersten Halbfinale um alles: Knapp die Hälfte der Acts wird brutal ausgesiebt - und von den Big Five dürfen Juroren und Televoter aus Spanien, Großbritannien und Italien mitbestimmen, wer nach Hause reisen muss (oder, je nach Entnervtheitslage: es darf).
P.S.: Jamala wird auftreten und - das wird das Witzigste des Abends - auch Verka Serduchka!