Kommentar
Überraschungen: Albanien und Irland im Finale

Zieht überraschend mit seiner Rockballade "Mall" ins Finale ein: Eugent Bushpepa aus Albanien.
Live-Qualitäten zählen doch: Das gilt besonders für Künstler wie Eugent Bushpepa aus Albanien und Ryan O'Shaugnessy aus Irland. Beide waren nicht gerade unter den Favoriten des ersten Semifinales, nur wenige glaubten daran, dass sie die Vorrunde überstehen würden, die Buchmacher wiesen sie als wahrscheinliche Verliererkandidaten aus. Aber der Albaner Bushpepa war wirklich mit seiner Kunst nah am Publikum, sein angerocktes, irgendwie auch folkiges Lied namens "Mall" zog in den Bann. Herr Bushpepa schien sich ernsthaft die Seele aus dem Leib zu singen, so intensiv war sein Einsatz auf der Bühne.
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Eröffnen das erste Halbfinale mit launigen Sprüchen und glamouröser Abendgarderobe: das rein weibliche Moderations-Quartett Filomena Cautela, Sílvia Alberto, Daniela Ruah und Catarina Furtado.
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Peterchens Mondfahrt lässt grüßen: In ihrem Song "X My Heart" träumt die Aserbaidschanerin Aisel von einem Ausflug ins All. "Bring mich zum Mond, an die Spitze", heißt es in den Lyrics. Und so turnt sie in weißem Gewand mit ihrem Liebsten auf stilisierten Klippen herum. Für das Finale hat es leider nicht gereicht.
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Sunnyboy Ari Ólafsson geht mit seiner Ballade "Our Choice" für Island an den Start. Begleitet von seinem Dauerlächeln und fünf Background-Sängern legt er einen soliden, aber etwas farblosen Auftritt hin. Welche Bedeutung die futuristischen Ornamente auf seinem weißen, etwas knappen Anzug haben, bleibt wohl sein Geheimnis. Im Finale ist er nicht vertreten.
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Musik der etwas härteren Gangart serviert Eugent Bushpepa aus Albanien. Die Rockballade "Mall" handelt von der Sehnsucht nach seiner Freundin, während er wie viele andere Albaner eine Zeit im Ausland verbringen muss. Die Jacke mit den unzähligen Knöpfen und Riemen erinnert an die Volkstrachten auf dem Balkan. Televoter und Jurys belohnen den Auftritt mit einem Platz im Finale.
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Mit Sennek tritt wie im vergangenen Jahr wieder eine junge Künstlerin für Belgien an. Bei der Performance von "A Matter Of Time" verzichtet die 28-Jährige auf eine große Bühnenshow. Ein Licht-Fokus richtet das Augenmerk des Publikums stattdessen ganz auf die Künstlerin. Das Kostüm ebenfalls schlicht: durchsichtiges Tüllkleid über schwarzer Hose. Bei Jurys und Telvotern fällt Sennek leider durch.
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Mikolas Josef startet mit seinem tanzbaren Song "Lie to Me" für die Tschechische Republik. Zusammen mit seinen Tänzern geht er mit gutem Beispiel voran und legt coole Tanzmoves aufs Bühnenparkett. Bei den Proben geht ein Salto leider daneben, Josef zieht sich eine Rückenverletzung zu. Deshalb performt er sich mit leicht angezogener Handbremse ins Finale.
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Mit "When We're Old" geht Ieva Zasimauskaitė für Litauen ins Rennen. Die romantische Liebesballade ist Ehemann Marius Kiltinavičius, der am Ende auch auf der Bühne dabei ist, gewidmet. Für ihn hat sich die 24-Jährige mit schulterfreiem Kleid in Rosa hübsch zurechtgemacht. Auch die Liebe der Televoter und Jurys hat sie gewonnen: Sie bescheren ihr einen Finalplatz.
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Paradiesvogel mit Doppeldutt: Netta aus Israel liefert mit ihrem Elektropop-Song "Toy" eine exzentrische Bühnenshow. Ihr Gurren, Gackern und Tschirpen vervielfacht die 25-Jährige im Korsett-Kimono mithilfe einer Loopstation. Dem Treiben lauschen japanische Winkekatzen andächtig wackelnd. Mehr Aufmerksamkeit geht nicht, der Einzug ins Finale ist reine Formsache.
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Wie eine Szene aus dem "Bachelor" wirkt der Auftritt von "Rosenkavalier" Alekseev. Mit dem Schmachtfetzen "Forever" tritt der 24-Jährige für Weißrussland an. Die theatralische Inszenierung ist schon eher Geschmackssache: Alekseev reicht einer Tänzerin eine verwelkte Rose, die schießt sie ihm mit einem Bogen durch die Hand, worauf die Blume erneut in voller Blüte steht. Daraufhin wächst ein ganzes Rosenbouquet aus seinem Rücken. Jurys und Televotern hat es nicht gefallen.
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Für Estland singt die ausgebildete Opernsängerin Elina Nechayeva. Und so vereint der Song "La forza" auch Opern- und Popelemente - natürlich auf Italienisch. Ein atemberaubendes Kleid mit überdimensioniertem Rock dient bei der Bühnenshow als Projektionsfläche für die Lichteffekte. Mit ihrer einzigartigen Stimme begeistert sie Televoter und Jurys. Auf Wiedersehen im Finale!
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Mystisch wird es beim Auftritt der fünfköpfigen Band Equinox aus Bulgarien. Der Song "Bones" vereint sphärische Klänge und spirituelle Texte. Das Lied handelt von der Liebe jenseits der materiellen Welt. Unterstützt wird die düstere Stimmung von den schwarzen Kostümen der Künstler. Die Band schafft den Einzug ins Finale.
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Für Mazedonien startet das Duo Eye Cue. In ihrem Song "Lost And Found" besingen Marija Ivanovska und Bojan Trajkovski die bedingungslose Liebe. Das knappe Outfit der Sängerin ist ein echter Hingucker. Leider vergeblich: Eye Cue sind raus.
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Mit "Crazy" singt Franka aus Kroatien um den Einzug ins Finale. Sie trägt ein langes schwarzes Spitzenkleid, das alles verhüllt, aber nichts bedeckt. Mit viel Soul in der Stimme kann Franka musikalisch überzeugen. Die Bühnenperformance wirkt mit wenig Bewegung aber eher statisch. Für das Finale reicht der Auftritt am Ende nicht.
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Cesár Sampson tritt mit dem Song "Nobody But You" für Österreich an. Die Crossover-Nummer vereinigt R'n'B, 80er-Jahre-Pop und Gospel-Einflüsse. Die Bühnenshow erinnert ein wenig an das Raumschiff Enterprise, das Captain Sampson nach der Landung verlässt. Mit seiner Sternenexkursion singt Sampson sich ins Finale.
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Yianna Terzi performt mit "Oniro mou" für Griechenland. In ihrem Song verbindet die Künstlerin klassische Musikelemente des Mittelmeerlandes mit Einflüssen ihrer langjährigen Wahlheimat USA. Das strahlend weiße Gewand vor blauer Kulisse erinnert an die griechischen Nationalfarben. Terzi muss leider nach Hause fahren.
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Begleitet von Tänzern in Militäruniformen performt Saara Aalto ihre Dance-Titel "Monsters" auf einem futuristischen Bühnenpodest. Das schwarze Mini-Kleid mit viel Glitzersteinen bringt die Finnin regelrecht zum Funkeln. Die aufwendige Bühnenshow dominiert den Auftritt und ebnet den Weg ins Finale.
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Wie ein Fels wirkt der kräftige und groß gewachsene Armenier Sevak Khanagyan bei seiner Performance von "Quami" im grauen Sackgewand. Deshalb haben ihm die Bühnendesigner gleich ein paar Monoliten zur Seite gestellt. Mit kräftiger Stimme singt Khanagyan stolz in armenischer Landessprache, leider nicht im Finale.
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Das Geschwister-Duo Corinne und Stefan Gfeller alias Zibbz startet für die Schweiz. Der Titel "Stones" thematisiert Cybermobbing. Musikalisch wird der Song durch kräftige Drumbeats dominiert. Zibbz schaffen den Einzug ins Finale nicht.
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In seiner Ballade "Together" besingt der Ire Ryan O'Shaughnessy Liebesbeziehungen ohne Happy End. Das Gitarrenspiel des Singer-Songwriters wird von einer Pianistin begleitet. Eine Laterne dient zur schummerigen Beleuchtung des Bühnenauftritts. Doch es ist nicht die rote Laterne: Der Ire ist weiter.
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Für Zypern spielt Eleni Foureira mit der Latino-Nummer "Fuego" mit dem Feuer. Und das nicht nur musikalisch: In einem hautengen, ausgeschnittenen, bunten Catsuit zeigt die Künstlerin viel Haut. Und auch bei der Bühnenperformance lässt Eleni gemeinsam mit den Tänzerinnen ordentlich die Hüften kreisen. Körperlichkeit ist hier gewollt und sichert Eleni ihren Platz im Finale.
Glaubwürdigkeit zählte mächtig

Ehrlichkeit zahlt sich aus: Das Publikum kauft Ryan O'Shaugnessy die traurige Botschaft seines Songs ab.
Und der Ire, der ein Lied von einer schwulen Liebe zweier Jungs interpretierte, mag zwar mit einer etwas überdekorierten Bühne, Parklampe im Schummermodus, zu tun gehabt haben, aber er sang, seine Gitarre vor sich tragend, schön und glaubwürdig. Er trug gerechten Lohn davon: Der junge Mann wusste die traurige Botschaft seines Liedes glaubwürdig zu vermitteln.
Das gilt nicht minder für Litauens Ieva Zasimauskaitė, die ihr "When We're Old" ergreifend schön präsentierte. Auch bei ihr wird der Eindruck des Live-Gesangs erheblich zum Erfolg beigetragen haben. Ebenso trifft dies auf den Österreicher - den in Wien lebenden Cesár Sampson - zu, der in keiner Probe in Lissabon zuvor so gut und wach sein Lied interpretierte: Österreich wird überglücklich mit ihm sein.
Schön, dass starke Frauen den Ton angaben

"Fuego" ist der Höhepunkt des Abends. Mit vollem Körpereinsatz zieht Eleni Foureira das Publikum in den Bann.
Es ist prinzipiell ja gut, dass es bei einem ESC - und sei es in einem Semi - nicht nur die buchmacherisch am höchsten gerankten Kandidaten schaffen: Sonst würde es ja langweilig. Aber einige der als potenzielle Siegeskandidaten ausgelobten Künstler und Künstlerinnen sind zu Recht ins Finale eingezogen: Allen voran ist Israels Netta Barzilai zu nennen, die eine viel bessere Vorstellung ablieferte als zuvor im Juryfinale. Das gilt auch für Eleni Foureira aus Zypern, die als Letzte gewiss davon profitierte, dass vor ihr einige eher schwermütige Nummern die Mikrofone fluteten: Ihr "Fuego" war der optimistische, lebenslustige Höhepunkt des Abends.
Bulgariens Equinox und Estlands Opern-Arie von Elina Nechayeva sowie Tschechiens Mikolas Josef mussten mit dem Finale rechnen, ihre Lieder sind hochprofessionell produziert - und gelungen performt worden. Bei Finnlands Saara Aalto hat auch dies den Ausschlag gegeben: Ihr "Monsters" hat sie frei von Angst und mit viel Lust ins Finale gehievt.
Teure Produktionen zahlten sich nicht aus
Aserbaidschans Aisel wird enttäuscht: großer Aufwand, kein Lohn. Belgiens Sennek darf auch trauern - der Stil ihres Liedes kam im vorigen Jahr durch Blanche noch weit nach vorn, diesmal reichte es nicht. Die Schweiz mit Zibbz muss einmal mehr vor dem Finale nach Hause fahren: schade. Aber musikalisch war ihr "Stones" nicht gut genug.
Die Tendenz dieses Jahres: viel Traurigkeit, viele und schwere Probleme in allen Liedern, überall ein bisschen Melancholie. Mit zwei Ausnahmen, bislang: Israels und Zyperns Acts sind irgendwie der kämpferischen Lebensfreude verpflichtet, ziemlich cool, beide Frauen. Freuen wir uns über sie!
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