Stand: 05.03.2014 08:30 Uhr

Kein großer Wurf aus Frankreich und Großbritannien

Die französischen ESC-Teilnehmer 2014 Twin Twin © Christophe Lartige / France 3 Foto: Christophe Lartige
Die Franzosen Twin Twin singen zwar von Schnurrbärten ("Moustache"), aber nur einer aus der Gruppe trägt einen!

Vielleicht ist es die Musik der Jungen. Könnte sein, dass die französischen ESC-Verantwortlichen es richtig machten und es mal wieder mit einer reellen Vorentscheidung probierten. Ja, "Moustache" ist eine gute Repräsentanz für das Land, das uns Siegerinnen wie Marie Myriam, Legenden wie Amina, Joelle Ursull oder auch Chanteusen wie Patricia Kaas (wenn auch als Notlösung, eine Bessere hatten sie für Moskau 2009 ja nicht) geschenkt hat. Twin Twin sind eine okaye Truppe - auch wenn mich deren Sound ein wenig an ein Mischmasch aus allen möglichen in Clubs und kleineren Konzertarenen gängigen Stilen erinnert.

Französische Hommage an den Schnurrbart

Klar, mit dem Verweis auf Schnauzbärte geht man nicht verkehrt. Es ist die Bartform, die, nach der momentanen Mode der Vollbärte bei jungen Männern in In-Vierteln wie Kreuzkölln (Berlin) oder dem Schanzenviertel (Hamburg), öfter zu sehen ist. Der Schnauzbart, ob nun mit Schuhcreme wie früher gezwirbelt oder in der Form, wie sie in den frühen Siebzigern gängig war, ist ein Thema. Wie ja alles ein Thema ist beim ESC - aber ich frage mich: Sind die Twin Twins auf der Bühne eventuell nicht etwas klein und unauffällig? Mich beschleicht mehr als sachter Zweifel: Das soll die populärste Nummer dieser Vorentscheidung bei unseren Nachbarn gewesen sein? Damit wollen sie aus dem Keller der sehr niederen Platzierungen raus?

Nicht vermittelbare Briten

Bonnie Tyler bei der NDR 90,3 Sommertour © Public Address Foto: Mirko Hannemann
Pop-Veteranin Bonnie Tyler erreicht beim ESC 2013 Platz 19.

Bei Großbritannien verhält es sich etwas anders. Zwei Jahre lang, 2012 und 2013, bestellte die BBC wie aus dem Nichts Kandidaten, die für die Generationen 40+ geläufig sind, die aber für die Empfindungen des Pop bei Jüngeren gar keine Rolle spielen: Engelbert Humperdinck oder Bonnie Tyler waren Veteranen, die eurovisionär nicht mehr vermittelbar sind. Die britischen ESC-Verantwortlichen, die sich jahre-, wahrscheinlich jahrzehntelang auf den Lorbeeren einstiger Triumphe ausruhten, mussten zu den Olympischen Spielen 2012 in London mit geringem Aufwand arbeiten, so hieß es zur Entscheidung für Engelbert Humperdinck erläuternd. Bei Bonnie Tyler sprach aber nur die pure Not für diese: Die Sängerin, die wie aus der Zeit gefallen schien, ist den Ästhetiken der Jungen zwar näher als es eine inzwischen 90-jährige Legende wie Lys Assia je verstehen würde. Die Britin mag das Bild der modernen, gleichwohl älter gewordenen Heldin der Ära des Pop gut verkörpert haben: Aber sie überzeugte nicht, sie schnitt wie Engelbert schlecht ab.

Moderner Act für Großbritannien

Die britische ESC-Teilnehmerin 2014 Molly Smitten-Downes © Nicky Johnston / BBC Foto: Nicky Johnston
In den vergangenen Jahren schickten die Briten Pop-Urgesteine zum ESC. Jetzt soll die 26-Jährige Molly Smitten-Downes frischen Wind bringen.

Nun probiert es die BBC mit einer Sängerin, die vorher niemand auf der Rechnung hatte, Molly Smitten-Downes. Ihr größter Vorzug ist, dass sie im BBC-Kontext schon einmal auftrat, und zwar in einer Reihe von Talentsuchereien, die alle unter dem Rubrum "Nicht-Unterzeichnet" liefen. Das heißt, Molly Smitten-Downes hat ein paar Download-Fans, aber keinen Vertrag bei einer Plattenfirma. Sie wurde ohne Vorentscheidung ausgesucht - nach welchen Kriterien ist unklar. Das spricht nicht gegen sie, aber ich schätze, die Akzeptanz des ESC im Einflussbereich der BBC wird nicht gerade gesteigert, wenn man Jahr für Jahr auf Vorentscheidungen verzichtet, also auf die Konstruktion eines tragfähigen und realistischen Hypes. Man wird sehen, wie sie mit ihrem Lied in Kopenhagen abschneiden wird. Ihr Song "Children Of The Universe" ist zurecht als “Ein bisschen Frieden” für die Jetztzeit bei verschiedenen Twitterern charakterisiert worden - ein leicht verschlepptes, chorisch fein abgestimmtes, dennoch hymnisches Lied mit gewissen Rock-Anklängen. Der Act ist moderner als das, was in den beiden vergangenen Jahren von den britischen Inseln kam. Aber sehr weit vorne wird es nicht landen - zumal Ms. Smitten-Downes (toller Name, das nebenbei!) eher wenig magisch wirkt. Mehr verschreckt als begierig, live jetzt auch besonders gut zu sein.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 10.05.2014 | 21:00 Uhr