Strapazierte Nerven bei der Königin
Nein, das war kein schmusiger Abend für eine Performerin wie Conchita Wurst. Sie sammelte in der B&W-Halle spontanen Applaus, sang in der Form ihres bisherigen Lebens, hatte alles richtig gemacht - und dann wurde partout bei der Verlesung der ersten neun Finalisten nicht ihr Name genannt. Die Dragqueen, die ein schwuler Mann ist und doch ihr "Rise Like A Phoenix" mit Leben erfüllen wollte. Und dann sollte der Phönix im eigenen Feuer zu Asche verbrennen? Unter den noch nicht Qualifizierten hockte ja auch noch Mei Feingold aus Israel - und die würde doch sicher auch ins Finale gelangen. Doch dann die Bekanntgabe des zehnten Landes, umbrandet von appellativen "Conchita, Conchita"-Rufen in der Halle und im Pressezentrum. "Austria" - rief der Moderator und das führte zu einem orkanartigen Beifallssturm. Wie es beim Besuch der Moderatorin Lise Rönne im Green Room vor der Resultatsverlesung so feinhumorig zu Conchita hieß: "The Wiener Takes It All?"
Israel und Georgien - Trotz guter Lieder ausgeschieden!
Schade für die Israelin, bedauerlich, dass die Jurys und die Televoter die Güte dieses Liedes nicht anerkennen mochten. Wie auch der weltmusikalisch-polyphone Versuch Georgiens, mit The Shin & Mariko offenbar nicht genügend gute Resonanz fand - ausgeschieden, nicht aufgerufen, es am Samstag im großen Finale abermals probieren zu dürfen.
Dass Litauen, Mazedonien und Irland ebenso ausgelesen wurden, war dann doch erwartet worden: Kaseys Lied, auch das von Tijana wie auch jenes von Vilija waren vielleicht nett gemeint, alles in allem waren diese eurovisionären Angebote dennoch eher aus der Abteilung Konfektion und Ramsch. Nein, das haben all die irischen ESC-Helden wie Linda Martin und Niamh Kavanagh ihren Töchtern im Entertainmentgewerbe nicht mit auf den Weg gegeben - sich mit Billigem abzugeben.
Für jeden Geschmack war etwas dabei
Die Finalisten sind überwiegend in Ordnung. Sebalter aus der Schweiz darf glücklich sein, seine Flöterei stand seinem Erfolg nicht im Weg; die Wandergitarrennummer aus Malta wird die Musikszene dieses Eilandhaufens beflügeln, sich nicht von den alten ESC-Bombastkräften wieder zurückdrängen zu lassen. Finnlands Rocknummer erfreute und überzeugte sehr. Norwegens Carl Espen bekam garantiert viele Anrufe aus der Tischler- und Handwerkerszene. Das sah gut aus, wie er in einem Schuppen im Einspielclip bastelte. Weißrussland, ein Flecken Europas, den man politisch nicht mögen sollte, ist im Finale durch Teo - und das ist gut, weil sein Song so fein modern und fast antisowjetisch klang. Prima für ihn! Griechenland bekam bestimmt viele Rapperpunkte und Polen genügend aus dem Milieu, das Frauen in tiefen Dekolletés schätzt. Sloweniens Tinkara Kovač - keine Ahnung, warum sie mit ihrer Grölerei weiterkommen konnte. Sie repräsentiert das zweite postjugoslawische Land im Finale - und hat aus einem mäßigen Lied alles herausgeholt.
Die Show macht Lust aufs Finale
Loben muss man, jenseits der Statistiken, die Show selbst. Gute Filmchen, witzige Moderationen - gar kein Vergleich mit der Reimerei 2001, ein Interval-Act, bei dem sich Australien als ESC-Teil empfahl und schließlich ein Auftakt, wie er zu sein hat: mit Charpentiers "Te Deum", der Eurovisionshymne. Nur: Weshalb spielen sie den Song inzwischen nicht mehr richtig aus? Das war so, als ob bei Gottesdiensten der Eingangschoral auf zehn Sekunden eingedampft wird. Unfeierliches Zeiteffizienzgehabe. Wir freuen uns jetzt aufs Finale!