Stand: 22.02.2019 18:16 Uhr

Vorentscheid: Die Lyrics der Songs im Check

Die Teilnehmer des Vorentscheids 2019 auf der Bühne in Berlin.  Foto: Julian Rausche
Die Songs der sieben Kandidaten sind wie auch in den vergangenen Jahren alle auf Englisch.

Die deutschen Songs beim ESC bleiben international orientiert - und damit englischsprachig. Der letzte ESC-Act, der auf Deutsch präsentiert wurde, war "Frauen regier’n die Welt" von Roger Cicero - und das ist zwölf Jahre her. Danach wurden alle deutschen ESC-Beiträge auf Englisch gesungen, einerlei, ob sie in einer Vorentscheidung gewählt oder ohne öffentliches Auswahlverfahren nominiert worden sind.

Die sieben Acts, die heute Abend "Ein Lied für Israel" unter sich ausmachen, haben sich alle für die Sprache des Pops, für das Englische entschieden. Im Song Writing Camp war das so klar wie auch vergangenes Jahr bei Michael Schultes "You Let Me Walk Alone": Englisch dominiert. Die Sprache bietet keine Erfolgsgarantie, aber ist doch jene, in der am häufigsten ein Platz in den Top 10 erreicht werden konnte. Nur zwei der zehn vergangenen ESC-Sieger und -Siegerinnen trugen ihre Erfolgslieder in ihren jeweiligen Landessprachen vor - Jamala 2016 auf Ukrainisch, im Jahr darauf Salvador Sobral auf Portugiesisch.

Persönliche Geschichten allesamt

Die deutschen Acts bei "Ein Lied für Israel" tragen allesamt Persönliches vor, kein Lied hat einen politischen Inhalt - so wie etwa der italienische Song in diesem Jahr. Stärkstes Motiv fast aller Lieder ist die Liebe, das Verzehrende an ihr, das Schöne und Wahre, auch das Scheiternde und das Gefühlschaos danach - das ist klassisch für alle Popsongs, nicht nur beim ESC. "Liebe" ist das Hauptwort bei "Ein Lied für Israel".

Aly Ryan singt in "Wear Your Love" gleich am Anfang davon, dass sie keine "Couture" - erstmals in einem ESC-Lied überhaupt wird dieses Wort gewählt - brauche, sondern sich gut und warm und schön "angezogen" fühlt durch die Person, die sie liebt und von der auch sie geliebt wird. Ins Deutsche übersetzt heißt es: "Wenn ich ängstlich werde oder mich unsicher fühle / Möchte ich deine Liebe tragen / Möchte ich deine Liebe tragen." Sie wird nicht verkühlen, das steht nach diesen wärmenden Zeilen fest.

Kummer hingegen hat Makeda, diesen drückt sie in "The Day I Loved You Most" aus. Irgendetwas an Unglücklichem ist ihr, davon handelt das Lied, mit ihrem Gegenüber widerfahren. Sie möchte ihm vergeben, es ist ein Flehen und Wehen, weil sie selbst viele Fehler in dieser Liebesgeschichte gemacht zu haben scheint: "Ich weiß, dass ich dich hassen könnte, aber ich möchte lieber / Den Tag erinnern, an dem ich dich am meisten liebte."

Auch Abgründiges wird zum Thema

BB Thomaz lässt hingegen die Liebe aus dem Spiel. Sie singt von - wie ihre Titelzeile "Demons" verrät, von Dämonen, von den bösen, am seelischen Gleichgewicht zerrenden Kräften, von ihren Bildern und Einflüssen. Aber sie kämpft gegen sie an, etwa, wenn sie in der ersten Zeile des Refrains ausruft: "So können meine Dämonen gehen und sich selbst lieben" - wobei sie das Wort "Love" allenfalls unhörbar singt und wohl am liebsten ein "Fuck", also "fuck themselves" formulieren würde. Aber das würde, falls sie die Fahrkarte nach Tel Aviv gewinnen würde, die EBU und ihre Sprachpolizei nicht zulassen.

Linus Bruhn hat es mit seinem Lied "Our City" nicht so mit dem gewöhnlichen Liebesschema, obwohl doch gerade die Stadt, die Metropole, textlich gesehen schon immer Fantasien von Abenteuern auch in der Liebe aufgerufen hat. Sein Lied ist ein Plädoyer für ein anderes Leben, eines, in dem die Menschen nicht ständig auf ihre Smartphones starren - und statt Mauern am Horizont Ozeane erkennen: "Alles, was wir brauchen, ist ein bisschen Liebe / Nimm meine Hand, komm, und lass es uns aufbauen." Er träumt in drei Minuten von einer neuen Gesellschaft.

Gregor Hägele hingegen interpretiert sein Lied "Let Me Go" als wehmütige Auseinandersetzung mit den Gefühlen, die einer hat, wenn er das Elternhaus verlassen will - das kuschelige Nest, das einen beschützt. Aber er will raus und fürchtet ein wenig das Neue: "Ich kann den Horizont sehen, der für mich wechselt, für mich / Ich kann die warme, aufgehende Sonne fühlen, für mich, für mich." Ein Mutmacherlied, in dem abermals Ozeanisches aufgerufen wird: "So lass mich, lass mich gehen / Wenn du mich so liebst." Auch hier - wie bei Linus Bruhn - unter der Hand viele Verweise auf die Liebe als solche.

Überraschendes fürs Publikum

Lilly Among Clouds - was für ein Name! Der Song "Surprise" ist keine Anspielung auf den deutschen ESC-Act von 1999, Sürpriz, sondern eine vertrackte Lobpreisung in eigener Sache. Vermutlich meint das adressierte Gegenüber auch eine Liebessache: "Weil duuuu hast bis jetzt nicht das Beste von mir gesehen / Du wirst überrascht sein / Du hast nicht den Rest von mir gesehen." Vorher erklärte das Lied, dass die Sängerin, also die Absenderin der Botschaft, von sich selbst gelangweilt sei - aber, wie erwähnt: Das Beste kommt am Schluss.

S!sters besingen hingegen in ihrem Lied "Sister" Taschenlampen, die in den Himmel scheinen, den Versuch des Diebstahls eines Donnergrollens - und brennende Lichter. In Wahrheit, ist am Ende ihres Songs zu verstehen, geht es auch um die Schwierigkeit einer Beziehung: "Du gingst an meiner Seite / Aber ich ließ dir keinen Raum."

Auf Deutsch mag alles, was heute Abend zu hören sein wird, hölzerner klingen als auf Englisch. Gleichwohl kommt es auf den Text nicht in erster Linie an. Lyrik ist Glückssache, sowieso - beim Pop kommt es auf die eingängige Zeile an, das Bedeutungsschwere in den Details erschließt sich ohnehin nur durch die Performance selbst.

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Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 22.02.2019 | 20:15 Uhr

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