Stand: 07.05.2014 20:35 Uhr

Wer wird ausgesiebt, wer muss nach Hause?

Mein Eindruck ist doch eher so, dass das zweite Semifinale schwächer besetzt ist als das erste vom Dienstag. Mit zwei bis drei herausragenden Ausnahmen - die es so klar im ersten Semifinale, von den Niederländern abgesehen, nicht gegeben hat. Der Reihe nach: Maltas Friedensappell ist ein frischer Auftakt. Wenn es Gerechtigkeit gibt, kommen die sicher weiter. Auch Israels Mei Finegold, die zwar viel Lärm macht und sich mit warmem gelben Licht und Tänzern umschmeicheln lässt, dürfte im Grand Final mitmachen. Carl Espen hat in seinem Juryhalbfinale die beste Performance seit dem Melodi Grand Prix abgeliefert – so stark war er während der Kopenhagener Proben nicht bei Stimme. Er muss auch nicht nach Hause fahren. Georgien war in der Probe, wie auch der Norweger, herausragend. Ihr Lied, mehr für eine ambitionierte Weltmusikmesse verfasst, überzeugt durch die erfrischende Darstellung der Musikanten und der Sängerin. Sie mögen gewiss Gnade vor den musikprofessionellen Juroren gefunden haben.

Conchita Wurst ist Favorit

Polen hingegen gibt Rätsel mit "Slavic Girls" auf: Bieten Donatan und Cleo beinahe freimütig ihre Brustpartien dem Publikum dar, um ironisch auf die Klischees der sogenannten slawischen Frau anzuspielen? Oder ist diese Perfomance doch ernst gemeint? Wollen unsere europäischen Nachbarn mit erheblichen Oberweiten um Punkte buhlen? Das Lied ist eine flirrend-nervöse Geschichte, absolut nicht gut nachsingbar. Und ich mag mich getäuscht haben, aber Conchita Wurst hatte die perfeke Bühnenshow in petto, sang ihr "Rise Like A Phoenix", als sei alle James-Bond-Ästhetik plötzlich mit ihr an ein gutes Ende gekommen. Eine sensationelle Performance, mit der sie weiter ins Grand Final marschieren wird. Litauens Vilija Matasciunaite mochte ich mit ihrem Lied noch nie, sie wird im Semifinale hängen bleiben. Ihr Song ist kein Wohlklang, leider. Irlands Kasey Smith hat viel Goodwill-Arbeit in Kopenhagen geleistet, man möchte sie mögen - aber das Lied ist nicht einmal flüchtig gut, sondern einfach nur in der Sekunde seiner Aufführung vergessen. Finnlands Softengine werden mit dem schlechten Image noch leben müssen, dass keiner außerhalb Finnlands auf sie setzt. Aber sie sind gut, sie werden es schaffen. Der weißrussische Versuch, die Popmoderne als Pina-Bausch-hafte Boygroup zu erreichen, könnte gelingen. Teo und sein Käsekuchen - warum nicht?

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Tänzer aus Australien proben den Interval Act für das zweite Halbfinale in Kopenhagen. © EBU Foto: Andres Putting

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Tijana wird nach Hause fahren

Menschen mit Neigung zu hochdramatischen Vokalisen möchten einem Mazedonien und deren Tijana nahebringen. Und doch will es nicht gelingen, sie richtig zu mögen; der Beifall im Publikum hielt sich in sehr engen Grenzen, viele gingen während ihres Vortrags Getränke holen. Ja, das wird kein gutes Ende nehmen mit ihr in Dänemark. Und eigentlich war ich vom Schweizer Sebalter nicht überzeugt. Dieses Geflöte und Gehopse über die Bühne - musste das sein? Offenbar, er tut es einfach immer wieder. Aber er ist gutgelaunt, was auch in diesem Semi die halbe Miete bedeuten wird. Meine Prognose: Er zieht ins Finale, wenn auch knapp. Griechenlands Freaky Fortune und ihr Rapper wollte ich mir schön hören, weil sie so sympathisch sind. Und zugleich war ich skeptisch: Das mit dem Trampolin - ist das nötig? Ja, ist es. Dieses Accessoire lenkt ein wenig von der schlichten Komposition ab. Sie werden es aber schaffen.

Rumänien setzt auf Pyroeffekte

Tinkara Kovač hat fast ganz Slowenien hinter sich. Die muss sich nicht sorgen, dass viele ex-jugoslawische Länder nicht dabei sind und nicht für sie werten können - das Land an den Karawanken hat noch nie viele Punkte aus Serbien, Kroatien und Bosnien erhalten. Wenn sie es nicht schafft - wofür ihr Lied leider spricht - liegt es an diesem, nicht an den punktegeizigen Nachbarn. Rumäniens ESC-Veteranen und ihr "Miracle" leisten sich so viel Pyroeffekte, dass diese wie eine Dekoration wirken, um vom liederlichen Rinnsal der Komposition abzulenken. Könnte man mit Recht denken. Aber beide, Pauli Seling und Ovi, gucken so freundlich und nett in die Kamera, dass sie bestimmt eine Runde weiter mitmachen dürfen.

Fazit: Meine Prognose

Kurzum: Ich tippe auf folgende fünf Länder, die ausscheiden werden: Mazedonien, Litauen, Irland, Slowenien und Polen. Finnland und Rumänien gelangen knapp ins Grand Final, und ich wette, dass Norwegen und Österreich dieses Semi gewinnen werden. Und wie die Show wird? Wie schon das erste Halbfinale: witzig, pointiert, charmant und mit ziemlich vielen lustigen Filmideen für die kleinen Pausen.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 10.05.2014 | 21:00 Uhr