Erstes Halbfinale: Viel Licht, etwas Schatten
Dass die Bühne in den B&W Hallen in Kopenhagen gigantisch ist, stand vorher fest - und viele nutzen im ersten Halbfinale die mehr als 2.800 Lichter, um ihren Auftritt so richtig in Szene zu setzen. Doch offenbar gilt: Weniger ist manchmal mehr. Denn auch viele, die mit reduzierten Auftritten und eher zurückhaltender Bühnendekoration arbeiten, kommen an diesem Dienstagabend weiter.
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Emmelie de Forest eröffnet das erste Halbfinale in Kopenhagen mit einer Spezial-Version ihres Siegersongs vom vergangenen Jahr. Zusammen mit einem Chor aus Sängern, die sich übers Internet beworben haben, singt die Dänin "Only Teardrops".
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Aram Mp3 aus Armenien muss als erster aktueller Teilnehmer aufs Parkett. Doch von Nervosität keine Spur. Er singt seine bombastische Ballade sicher und wird dabei von riesigen …
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… Feuerfontänen umrahmt. In seinem Heimatland ist Aram Mp3 vor allem als Comedian bekannt. Davon ist bei diesem ernsten Auftritt aber nichts zu merken. Der Armenier schafft es damit ins Finale.
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Dann wird es spaßig. Zumindest, was die quietschbunten Kostüme der Letten von Aarzemnieki angeht.
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Ihre gesanglichen Qualitäten können mit dem netten optischen Eindruck aber nicht mithalten - stimmlich schwach. Den Einzug ins Finale schafft die bunte Truppe nicht.
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Die Stimme der Estin Tanja ist sicherer. Das ist erstaunlich. Denn sie turnt während des gesamten Vortrags auf der Bühne herum. Dass es überhaupt möglich ist, dabei zu singen?!
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Die körperliche Leistung ist beeindruckend, aber ihr Song "Amazing" bleibt nicht hängen. Tanja muss nach dem ersten ´Halbfinale wieder ihre Koffer packen.
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Sanna Nielsen aus Schweden hat es schon mehrfach beim schwedischen Vorentscheid versucht und nie gewonnen. 2014 konnte sie sich in ihrem Heimatland endlich durchsetzen und steht nun auf der großen ESC-Bühne …
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… und das völlig zu Recht. Mit "Undo" fesselt sie das Publikum. Die Schwedin gehört zu den Favoriten und mit diesem Auftritt scheint der Finaleinzug sicher, was sich am Ende der Show auch bestätigt.
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Jetzt kommen die schrägsten Vögel des Abends - wie die Letten Aarzemnieki in quietschbunter Kleidung - aber Pollapönk aus Island sind viel abgedrehter. Mit ihrem Funpunk-Song "Prejudice" rocken die Männer gegen Vorurteile.
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Eine spaßige Angelegenheit, die endlich auch mal wieder ein bisschen Gaga-Feeling in den Contest und ins Finale am Samstagabend bringt.
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Bei der Albanerin Hersi Matmuja ist dann wieder alles ganz ernst. Im güldenen langen Kleid schmettert sie sich in Rage. Und der Songtitel "One Night's Anger“ ist Programm ...
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... denn sie wird sich wohl nach der Punktevergabe sehr ärgern: Für das Finale reicht es nicht.
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Keine optische Täuschung, sondern tatsächlich zweimal die gleiche junge Frau auf der Bühne - jedenfalls fast. The Tomachevy Twins aus Russland sind eineiige Zwillinge.
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Mit ihrem Song "Shine" wollen sie funkeln wie Stars. Sie machen ihre Sache auch gut, alles nett einstudiert, aber es fehlt das Besondere. Trotzdem meistern sie am Ende des Abends den Sprung ins Finale.
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Da hat sie schon mehr Star-Appeal: Dilara Kazimova aus Aserbaidschan. "Start A Fire" ist eine Gänsehautballade. Aussehen perfekt, Song großartig, doch gesanglich ist es nicht ihr bester Tag.
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Und warum zappelt während ihres Auftritts eine Trapezkünstlerin auf der Bühne? Diese Frage wird in dem Dreiminuten-Vortrag nicht beantwortet. Vielleicht sind wir nach dem Finale am Samstag schlauer, denn Dilara kann sich einen Platz für die Show sichern.
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Und es geht weiter mit artistischen Höchstleistungen auf der Bühne. Die Ukrainerin Maria Yaremchuk tritt mit einem "Mann im Hamsterrad" auf. Rennt er vergeblich gegen die Zeit an? Denn …
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... Maria Yaremchuks Song heißt "Tick-Tock", klingt wie der Sound einer Uhr. Und auch die Sängerin gibt auf der Bühne mächtig Gas. Mit einem gekonnten Sprung auf das Rhönrad krönt sie den beeindruckenden sportlichen Auftritt. Den Einzug in das Finale schafft sie damit mühelos.
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Axel Hirsoux aus Belgien macht genau das Gegenteil auf der Bühne: nämlich nichts. Zumindest in körperlicher Hinsicht. Der Tenor bewegt sich keinen Zentimeter vom Fleck und legt all seine Kraft in die Stimme.
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Den Schmachtfetzen "Mother" hat er gesanglich allerdings schon besser vorgetragen Er drückt ein bisschen zu sehr auf die Tube - wahrscheinlich vor Aufregung und verpasst dadurch den Finaleinzug.
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Dann kommt die Künstlerin mit dem schrägsten Kleid des Abends. Cristina Scarlat aus Moldau singt sich in einem Halb-Ritter-Halb-Burgfräulein-Kleid ihre "Wild Soul" aus dem Leib.
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Auch die Kostüme ihrer Tänzer sind schwer einzuordnen. Asiatische Kampfkünstler? Lederstrümpfe? Moderne Ritter? Ein rätselhafter Auftritt, der Cristina nicht ins Finale bringt.
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Dann betritt eine alte Bekannte die Bühne in Kopenhagen. Valentina Monetta aus San Marino singt bereits zum dritten Mal beim ESC. Für das Finale hat es bisher leider nicht gereicht.
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Auch diesmal ist der Song wieder - sagen wir mal - solide. Wie immer stammt er aus der Feder von ESC-Urgestein Ralph Siegel. Singen kann die Monetta, doch der Siegel-Sound ist nicht herausragend.
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Portugal scheint vor allem mit Sex-Appeal punkten zu wollen. Suzy zeigt Bein, Dekolleté und Hüftschwung.
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Ob das von dem Song ablenken soll? "Quero ser tua" klingt doch sehr stark nach einer abgenudelten Lambada-Euro-Pop-Nummer. Die Jury und die Zuschauer überzeugt der Auftritt jedenfalls nicht.
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The Common Linnets aus den Niederlanden bringen den entspanntesten Song des Abends. Mit Klampfe über der Schulter singen und spielen sie, als stünden sie in einem kleinen Club und nicht …
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… auf einer der größten Bühnen Europas. Eine toller Countrysong, der Lust auf Natur und Lagerfeuer macht und sehr gut ankommt. Am Samstagabend stehen die sympathischen Niederländer im Finale wieder auf der Bühne.
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Auch beim nächsten Act geht es wieder sportlich zu. Eine Rollschuhläuferin zieht ihre Bahnen über die gesamte Bühne und zieht auch ein wenig Aufmerksamkeit von ...
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... dem Sänger ab. Sergej Ćetković aus Montenegro liefert mit "Moj svijet" eine solide Performance, die ihn ins Finale bringt. Ohne die Rollschuhläuferin hätte aber auch nichts gefehlt.
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Der letzte Künstler des ersten Halbfinales braucht eigentlich nichts zu fürchten, auch nach der Wertung noch das Schlusslicht zu sein. András Kállay-Saunders zählt mit "Running" zu den Favoriten.
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Das Thema des Abends zieht sich durch: Auch bei ihm gibt es zusätzlich sportliche Einlagen auf der Bühne. Ein Paar tanzt eine ausdrucksstarke Performance - dramatisch wie der Inhalt des Liedes.
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Kállay-Saunders singt über Kindesmissbrauch und will mit seinem Song mehr Problembewusstsein schaffen. Der Song berührt die Zuschauer - nach dem Voting zeigt sich: Der Ungar ist im Finale. Genau wie ...
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Valentina Monetta aus San Marino. Das ist die größte Überraschung des Abends. Beim dritten Anlauf können sie und Komponist Ralph Siegel (links hinter der Sängerin) ihren Traum von der Endrunde wahr machen.
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Die glücklichen Finalisten kommen aus Armenien, Schweden, Island, Russland, Aserbaidschan, Ukraine, San Marino, Niederlande, Montenegro und Ungarn. Die Künstler aus Lettland, Estland, Albanien, Belgien, Moldau und Portugal hatten weniger Glück. Sie können nach Hause fahren.
Dazu gehört der erste Kandidat des Abends: Aram MP3, der schon länger zu den Favoriten zählt. Allein steht er auf der Bühne und singt seine Ballade "Not Alone". Es ist ein unaufgeregter, selbstsicherer Auftritt - den wir im Finale noch einmal hören und sehen werden. Auch die Niederländer The Common Linnets reduzieren ihren Auftritt auf das, worauf es bei einem Song Contest ankommen sollte: die Musik. "Calm After The Storm" kommt grundehrlich und authentisch daher. Ein Country-Song, der ins Finale gehört - und dort auch gelandet ist.
Simplify your performance

Beide beherrschen ihr Handwerk: Dilara Kazimova und auch ihre Trapezkünstlerin.
Unaufgeregt und ohne ablenkende Lightshows sind auch die Auftritte von Schweden und Aserbaidschan. Sanna Nielsen, die schwedische Helene Fischer, steht in einem riesigen Lichtkegel und besinnt sich ganz auf ihren powervollen Gesang. Ihre Ballade "Undo", ein mehr als klassischer ESC-Song, wird am Finalabend noch einmal erklingen. Genauso wie das Lied von Dilara Kazimova aus Aserbaidschan. "Start A Fire" heißt es. Ein richtiges Feuerwerk sieht zwar anders aus als dieser eher solide Auftritt, aber egal. Die Sängerin und die Trapezkünstlerin im Hintergrund verstehen ihr Handwerk - und kehren damit am Finalabend zurück.
The Tolmachevy Twins aus Russland sind erst 17 Jahre alt, wirken in ihren cremefarbenen Kleidern aber deutlich reifer, um es positiv auszudrücken. Zumindest reifer als ihr Gummi-Pop-Song "Shine", der nur wenig Wiedererkennungswert hat. Muss er aber auch nicht, wir hören ihn ja schon in wenigen Tagen wieder. Ähnlich bieder, oder um es auch hier positiv auszudrücken klassisch, wirkt der Auftritt von Valentina Monetta. Die Sängerin aus San Marino steht vor einer riesigen Muschel aus Stoff, über den Boden wabern Nebelschwaden. Ob sie die Bühnendekoration gewählt hat? Maybe. Vermutlich war es aber Ralph Siegel, mit dem sie schon zum dritten Mal in Folge versucht, den ESC in ihre Heimat zu holen. Die Chance ist größer denn je - zum ersten Mal zieht sie ins Finale ein.
Viele Farben und noch mehr Lichter
Farbenfroher wird es mit Pollapönk aus Island. In b-b-b-bunten Anzügen stehen sie da und singen mit "No Prejudice" einen Song für mehr Toleranz gegenüber Stotterern. Der Auftritt ist ein Feuerwerk der guten Laune, gesanglich vielleicht nicht so stark wie andere Auftritte, aber die Band verbreitet mit ihrem Spaß-Punk für Kinder immerhin sehr gute Laune und Party-Stimmung - und gewinnt damit die Stimmen der Zuschauer. Die junge Ukrainerin Maria Yaremchuk arbeitet an diesem Abend mit sehr viel Licht und einem Tänzer im Hamsterrad. So kommt es bei ihrem Auftritt zu einer gewissen Reizüberflutung, bei der man nicht so recht weiß, wo man als zuerst hingucken soll. Ins Finale schafft sie es dennoch.
Weitere Informationen
Wer Panflöten schon in der Fußgängerzone nur schwer erträgt, muss beim Auftritt von Sergej Ćetković die Zähne zusammenbeißen und ganz tapfer sein. Ansonsten ist "Moj svijet" eine schöne Balkan-Ballade - wenn man auf so etwas steht. Viele Zuschauer tun dies wohl. Der Ungar András Kállay-Saunders ist auf der Bühne sehr präsent - und zwar auf der ganzen Bühne: Er läuft praktisch die gesamte Bühne während seines Auftrittes ab, von einer Ecke in die andere. Sportlich ist aber auch das Tänzer-Pärchen, das im Hintergrund über das Klavier turnt. Eine Show, die sich am 10. Mai noch einmal wiederholen wird.
Viel Lärm um nix

Nun geht's schneller zurück zu Mutti als Axel Hirsoux lieb sein dürfte: Endstation 1. Halbfinale.
Aarzemnieki aus Lettland sorgen mit fröhlichem Song und bunten Klamotten in der Halle für gute Laune und lösen Jubel aus. Bei den Zuschauern kommt "Cake To Bake" offenbar weniger gut an, einen Finalplatz kann man sich leider nicht backen. Tanja aus Estland hat alles probiert: Singen im Liegen, im Tanzen, beim Durch-die-Luft-gewirbelt-werden und beim Turnen auf dem Tanzpartner. Und doch sind sie und ihr Eurodance-Song "Amazing" abgestraft worden. Hersi Matmuja, die Opernsängerin aus Albanien hat von der Wut der Nacht gesungen. Sollte sie die in dieser Nacht selbst erleben? Wut gegen die Zuschauer, die sie nicht ins Finale gewählt haben? Möglich wär's.
Axel Hirsoux strickt im Vorstellungsfilm seine Landesflagge. Das hat ihm wohl Mutti beigebracht, die eine große Rolle im Leben des Belgiers zu spielen scheint - und vermutlich auch seine florale Bühnendeko ausgesucht hat. Die Zuschauer stehen offenbar nicht so auf Muttersöhnchen. "Mother" wird auf der großen Bühne nicht noch einmal ertönen. Cristina Scarlat aus Moldau lässt Männer über der Bühne schweben, das Bühnenbild erscheint im Gothic-Look. Zum Haareraufen? Wenn es nur das wäre: Zum Ende des Songs reißt sich die Sängerin fast die gesamte blonde Mähne vom Kopf. Die braucht sie aber ja nun auch nicht mehr. Die Portugiesin Suzy trägt ein gewagtes Kleid aus roten Blüten - das zumindest einen Moment erfolgreich von ihrem Macarena-ähnlichen Song ablenkt. Ein sommerliches Lied, bei dem der Funke aber nicht so recht überspringt und man sich wünscht, die drei Minuten wären schnell vorbei. Dann jedoch hat man es auch überstanden: "Quero ser tua" wird definitiv nicht der große ESC-Song werden, diese Chance ist ihr an diesem Abend genommen worden.
