Stand: 31.05.2013 10:10 Uhr

Was wird aus Emmelie de Forest?

Die Worte der Überschrift dieses Blogs könnte man auch leicht umstellen, dann käme die klassische Frage an alle ESC-Teilnehmer, an die Sieger zumal, heraus: Wird was aus Emmelie de Forest? Anders gesagt: Wird sie eine Zukunft nach dem Sieg von Malmö haben?

Die Unterstellung, seit ich mich mit dem ESC beschäftige, geht immer in diese Richtung: Produziert der ESC mehr als Eintagsfliegen? Sind die Sieger zu mehr befähigt, als eben einmal zu gewinnen – obwohl Johnny Logan, der Ire, bewiesen hat, dass man es auch dreifach schaffen kann, 1980, 1987 und 1992 (durch Linda Martin, die mit dem von Logan komponierten Song gewann)?

Die ESC-Siegerin von Malmö aus Dänemark, Emmelie de Forest © NDR Foto: Rolf Klatt
Beim ESC in Malmö gewinnt Emmelie de Forest souverän. Ob sich eine große Karriere anschließt?

Die Wahrheit hat niemand Geringeres formuliert als der berühmte Musikmanager Hans R. Beierlein. Er war es, der das Projekt „Udo Jürgens international“ erfand – ein bis 1962 rühriger Komponist, Pianist und Barmusiker. Nach zwei ziemlich guten Anläufen schaffte der Klagenfurter es 1966, mit dem Titel „Merci Chérie“ den Grand Prix Eurovision de la Chanson zu gewinnen. Jürgens, der inzwischen Große, war stets ein nervöses Hemd – aber in Luxemburg gewann er ziemlich deutlich. Beierlein, sein kluger Medienberater, sagte ihm (und später mir in einem sehr ausführlichen, sehr instruktiven Gespräch) sinngemäß: Wenn du nach einem Sieg beim Grand Prix glaubst, es schon geschafft zu haben, dann hast du schon verloren. Vielmehr habe man mit einem ESC-Sieg nur den Zeh eines Fußes in der Tür – mehr nicht. Danach folge viel Arbeit, nichts als Arbeit und weiter nur Arbeit an der Karriere.

Man darf sagen: Das Projekt Udo Jürgens hat funktioniert und tut es noch. Andere ESC-Sieger verschwanden – jenseits des eigenen Landes – rasch in der Versenkung. Immerhin: König oder Königin einer ESC-Nacht zu sein ist ja nicht schlecht als Zenit einer künstlerischen Laufbahn. Aber: Dana aus Irland 1970 war ein One-Hit-Wonder, nicht minder 1971 Séverine (die sich in Deutschland noch hübsch im Schlagerteich tummelte … mehr aber nicht) oder Anne Marie David 1973 mit “Tu te reconnaîtras“. Riva 1989 bleiben nur mit „Rock Me“ erinnerbar; Eimear Quinn 1996 hatte mit dem Siegesvortrag von „The Voice“ das künstlerisch Meiste hinter sich. Was auch eigentlich für Céline Dion galt, deren „Ne partez pas sans moi“ zwar nirgendwo ein Hit war – ihre über Kanada hinausreichende Karriere kam erst in Schwung, als sie 1989 in Lausanne beim ESC als Siegerin des Vorjahres ein Lied sang. Da erst wurden die Bosse von Plattenfirmen in den USA auf sie aufmerksam – und hatten in ihr die richtige, stimmstarke Hitfabrik gefunden.

Und wer heute glaubt, Abba hätten sofort auch nach „Waterloo“ eingeschlagen, irrt. Es brauchte mehrere Monate, ehe das Gerede in allen möglichen Medien aufhörte, und die Band einen Folgetitel in den Charts hatte, wenn ich es richtig erinnere, war das „Honey, Honey“, aber auch nur in Deutschland, der Schweiz und Österreich. Im englischsprachigen Raum kam der Durchbruch erst ein knappes Jahr darauf.

Viele ESC-Sängerinnen und –Sänger haben von diesem Festival profitiert, oft nur im eigenen Land. Ruslana, die Olsen Brothers, Dima Bilan, Marija Šerifovic mit “Molitva“, Dana International oder Sertab Erener: Nach dem ESC waren sie keine No Names im europäischen Popgeschäft mehr. Und international präsenter als Marie N aus Lettland (ESC 2002) oder Tanel Padar & Dave Benton, die Sieger von Kopenhagen 2001, auch Charlotte Nilsson (ESC 1999) waren sie schon.

Was aus Emmelie de Forest wird ist natürlich offen. Man muss abwarten und beobachten. Jetzt schon zu sagen, sie hätte international nichts zu bestellen, wäre viel zu verfrüht. Loreen, das nebenbei, ist auf jeden Fall in Skandinavien ein Star bis heute.

Die dänische Presse hält sich mittlerweile mit der scheinwichtigen Frage auf, ob das Lispeln der Siegerin aus Dänemark wegtrainierbar sei. Das ist kein schlechtes Zeichen. Auch kein gutes andererseits. Sie soll, hört man aus dem Norden, gute Musik machen. Das wird sie schon tun als Grand-Prix-Siegerin von Malmö. Etwa mit einem auf Youtube zu hörenden Lied, das ihre Zukunft andeutet: Ein prima Titel für die Zeit nach dem Grand-Prix-Gewinnersong „Only Teardrops“ in Malmö.

Was aber alle eint, ist dies: Sie haben mit dem Sieg beim ESC – auch Emmelie de Forest – ein wunderbares Jahr vor sich. Ihnen geht es wie Schönheitsköniginnen. Der Titel hält meist ein Jahr, bis eine neue Königin gekürt ist. Der Tränenfluss angesichts abreißender Prominenz – der wird im schlimmsten Falls erst im kommenden Jahr Mitte Mai in Dänemark einsetzen. Wahrscheinlich ist das nicht: Gut so.

P.S.: Heute Morgen 9 Uhr deutsche Ortszeit, eine letzte Mail aus Baku: Die Störungen bei der Übertragung des armenischen Beitrags lagen nicht an Ictimai TV.  Alles in Aserbaidschan lief korrekt. Ein Fortschritt – gut so!

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 18.05.2013 | 21:00 Uhr