Stand: 25.03.2019 10:52 Uhr

Israel - Der Kopf hinter Nettas ESC-Sieg

In Tel Aviv wird Israel als Gastgeber seine 42. ESC-Teilnahme feiern. Sein Debüt gab das Land am östlichsten Mittelmeerland 1973 in Luxemburg. Israels TV-Anstalt IBA durfte deshalb an einer (zunächst west-, nord- und südeuropäischen) Fernsehshow teilnehmen, weil die EBU (European Broadcasting Union mit Sitz in Genf), 1950 gegründet, immer schon ein öffentlich-rechtliches TV- und Radionetzwerk über das geografische Europa hinaus war. Zweck der EBU war zunächst, TV-Filme auszutauschen und, etwa im Nachrichtenbereich, den Mitgliedssendern rasch und unkompliziert zur Verfügung zu stellen. Als der ESC erstmals ausgetragen wurde, 1956 im schweizerischen Lugano, war das Fernsehen ein sehr junges Medium; Fernsehgeräte waren noch kaum verbreitet.

Manche Komponisten prägen die ESC-Jahre ihres Landes

Alpha Beta mit Sänger Izhar Cohen 1978 bei einem Auftritt in der ZDF-Starparade in der Philipshalle in Düsseldorf. Im selben Jahr belegten sie für Israel beim Grand Prix den 1. Platz © dpa-Bildfunk Foto: Hans Dürrwald
Izhar Cohen und Alpha-Beta gewannen den ESC 1978 in Paris mit "A-Ba-Ni-Bi".

In allen Jahrzehnten der israelischen Eurovisions-Teilnahmen gab und gibt es buchstäblich immer tonangebende Komponisten und Komponistinnen, Texterinnen und Texter. So ist es in vielen Ländern - Ralph Siegel beispielsweise hat sehr viele Jahre das deutsche ESC-Schaffen dominiert. In Israel waren es anfänglich Nurit Hirsch, die auch das israelische Eurovisions-Debüt 1973 in Luxemburg dirigierte, und Ehud Manor, ein Songwriter, 2005 im Alter von 63 Jahren gestorben. Hirsch schrieb Izhar Cohens "A-Ba-Ni-Bi" - und Kobi Oshrat, prägender ESC-Komponist und -Dirigent bis in die 90er, war mitverantwortlich für den zweiten ESC-Triumph, "Hallelujah" von Gali Atari mit Milk & Honey 1979 in Jerusalem.

Dana International holt Israels dritten Sieg

Dana International vertritt 1998 Israel beim Grand Prix und freut sich über den 1. Platz © dpa Foto: DB pool
1998 wurde Dana International mit ihrem Sieg in Birmingham zur ESC-Ikone. "Diva" wurde ihr von Zvika Pik auf den Leib geschrieben.

Die nächste Generation wurde besonders durch Zvika Pik und Yoav Ginai geprägt. Pik komponierte Dana Internationals "Diva" für den ESC 1998 in Birmingham und Sarit Hadids "Light A Candle" für den ESC 2002 in Tallinn. 2015 begann wiederum eine neue Generation, das ESC-Geschehen in Israel in die Hand zu nehmen - und Erfolg zu haben. Nach vier in den Halbfinals gescheiterten Acts, kam ein Mann ins Geschehen, der ein ausgesprochen feines Händchen hat für populäre Musik, eingängig und tanzfähig, ohne trashig zu wirken: Doron Medalie, 1977 in Ramat HaSharon geboren und seit Kindertagen Eurovisions-Fan. 2013 komponierte er die offizielle Hymne der CSD-Parade von Tel Aviv, eurovisionäre Ambitionen hatte er jedoch erst danach. Zwei  Jahre darauf, ohnehin schon bis dahin und unabhängig vom ESC megaerfolgreich für TV- und andere Bühnenproduktionen tätig, kreierte er für den französischstämmigen Israeli Nadav Guedj den heimlichen Fan-Hit der Eurovisions-Tage von Wien. "Golden Boy" war der Sound der Stunde, tanzbar, fröhlich und optimistisch landete er auf dem neunten Platz. 2016 hatte Doron Medalie wieder einen Kandidaten im Rennen: Hovi Star schnitt mit "Made of Stars" in Stockholm nicht ganz so gut ab - Platz 14. Interessant war die Selbstpräsentation der Künstler in jüngeren Jahren: Hovi Star gab freimütig im Interview zu, dass zu seinen Vorbildern auch Dana International zähle: Eine transsexuelle Künstlerin zum Idol zu erklären, ist auch im libertären Israel keine gängige Sache.

Schockmoment für Fans beim ESC in Kiew

Indes: Doron Medalie hatte noch lange nicht genug, nur setzte er ein Jahr aus, andere Kompositionsaufträge standen im Wege. 2017 in Kiew sang Imri das eher wenig originelle Lied "I Feel Alive" trotz vorzüglicher Halbfinalteilnahme im Finale auf den wenig erbaulichen 23. Platz. In der Show dann der Schock-Moment, für Fans besonders: Während der Punktevergabe verkündet der israelische Sprecher aus Jerusalem das Aus für Israel beim Eurovision Song Contest. Es blieb ein Irrtum: Fakt war, dass die TV-Gesellschaft IBA ihr Programm einstellte und die öffentlich-rechtlichen Aufgaben der Sender Kan zu übernehmen hatte.

VIDEO: Israel: "Tonight is our final night!" (1 Min)

Clubmusikerin aus Tel Aviv siegt im Auftrag Doron Medalies

Die israelische ESC-Siegerin Netta © Daniel Kaminsky Foto: Daniel Kaminsky
Netta brachte mit "Toy" Israel den vierten ESC-Sieg.

Und dann kam das Jahr des in Tel Aviv lebenden Musikproduzenten, Komponisten und Texters Doron Medalie: "Toy" war sein Lied, seine Sängerin die aus einem Castingformat hervorgegangene Clubmusikerin Netta. Medalie hat seinen Act tatsächlich mit einer famosen Entertainerin ausgestattet, er hatte das Richtige für einen ESC-Sieg, den vierten Israels, getan. Und er hat sich früh für Tel Aviv als ESC-Gastgeberstadt 2019 ausgesprochen. Jerusalem scheint ihm zu bieder, religiös und verschlafen. Davon abgesehen, hat er sich mehrfach mit Israels Premierminister Benjamin Netanyahu angelegt: Der Mann kann sich freilich eine kesse Lippe locker erlauben, auch gegen oberste Regierungsmenschen.

 

ESC-Geschichte Israels
Die israelische ESC-Siegerin Netta © Daniel Kaminsky Foto: Daniel Kaminsky

Israel - Viele Jahre der Erfolge und Misserfolge

Starduo, Boykott-Aufruf und die Rückkehr von Dana International: Jan Feddersen schaut auf die politischen Dimensionen Israels beim ESC - Teil 7. mehr

Die israelische Band Teapacks beim Halbfinale des Eurovision Song Contest 2007 in Helsinki. © DPA Bildfunk

Israel - Misserfolge kennzeichnen die 2000er

Zu Beginn des Jahrtausends kann Israel nicht an die Erfolge von Dana International anknüpfen, nur Shiri Maimon sticht heraus. Teil 6 der Reihe von Jan Feddersen. mehr

Ein Blick auf Tel Aviv. © picture alliance/Valery Sharifulin/TASS/dpa Foto: Valery Sharifulin

Als Israel Dana International huldigte

Israel beim ESC: Rückblick auf den großen Erfolg der transsexuellen Teilnehmerin. Jan Feddersen schaut auf Dana International, ihren Erfolg und einen Skandal: Teil 5. mehr

Ein Blick auf Tel Aviv. © picture alliance/Valery Sharifulin/TASS/dpa Foto: Valery Sharifulin

Israel - Durststrecke mit einer Oase

Hohe Liedkunst und erbarmungswürdige Qualität: Israels ESC-Beiträge hatten Höhen, aber auch Tiefen. Jan Feddersen über Israels Durststrecke: Teil 4. mehr

Ofra Haza vertritt Israel 1983 beim Grand Prix und belegt den 2. Platz  Foto: Jörg Schmitt

Israel - Die Jahre der Comebacks

ESC-Experte Jan Feddersen blickt in seiner Serie über Israel beim ESC auf Mehrfachteilnehmer und kuriose Beiträge zurück: Teil 3. mehr

Alpha Beta mit Sänger Izhar Cohen 1978 bei einem Auftritt in der ZDF-Starparade in der Philipshalle in Düsseldorf. Im selben Jahr belegten sie für Israel beim Grand Prix den 1. Platz © dpa-Bildfunk Foto: Hans Dürrwald

Israel - Die Jahre der Siege

Israel beim ESC - ein Rückblick auf viele Erfolge. Jan Feddersen schaut auf die ruhmreiche Geschichte des Landes zurück: Teil 2. mehr

Blick auf Alma Beach und die Skyline von Tel Aviv © Picture-Alliance / Imagebroker Foto: Moritz Wolf

Israel: Die ersten ESC-Jahre

Der 64. Eurovision Song Contest wird im Mai in Tel Aviv stattfinden. Israel ist seit 1973 beim Eurovision-Festival dabei. Ein Blick zurück auf eine ruhmreiche Geschichte: Teil 1. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Blue | ESC Update | 30.03.2019 | 19:05 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Israel