Stand: 25.04.2018 11:41 Uhr

Wenn Fan-Favoriten versagen

Jedes Jahr gibt es die Fan-Favoriten. Die Songs, auf die sich die Eurovisions-Community einigt, ohne darüber diskutiert zu haben. Songs, die es schaffen, ESC-begeisterte in ganz Europa schon im Februar zu packen und sie bis Mai nicht wieder loszulassen. Songs, die über jeden Zweifel erhaben sind - und die dann am Ende bloß Sechzehnter im Semi werden. Die Fan-Favoriten sind Songs für ESC-Liebhaber. Doch die sind am Finaltag bei 200 Millionen Zuschauern in der Minderheit. Da viele von Fans geliebte Songs dieses Schicksal ereilt, hat sich der Begriff "Fan Favourite Fail" (FFF) eingebürgert. Und neben der Frage, wer wohl dieses Jahr in Lissabon den begehrten Barbara-Dex-Award für das schlimmste Outfit bekommt, wird auch die Frage nach dem FFF jedes Jahr wieder gestellt.

VIDEO: Fan Favorite Fail 2017: Koit Toome & Laura - "Verona" (3 Min)

Fans lieben das Drama

Kati Wolf für Ungarn in der Kostümprobe im ersten Halbfinale © NDR Foto: Rolf Klatt
Kati Wolf holt das Drama auf die ESC-Bühne. Sie fragt: "What About My Dreams?"

Songs, die ESC-Fans mögen, sind nicht wirklich Songs, die in den Charts landen. Die FFFs sind erstaunlich häufig von Frauen gesungen und besitzen oft den ESC-typischen Key Change, was bedeutet, dass der letzte Refrain etwas höher gesungen wird. Unter Fans hat sich der Begriff "cheesy" für solche Songs etabliert, was so viel wie "überdramatisch", "überemotional" oder auch "klischeebeladen" bedeuten kann. Besonders cheesy waren im letzten Jahr etwa Koit Toome und Laura aus Estland. Ihr Pop-Schlager "Verona" bot alles, was das ESC-Herz begehrt. Koit Toomes Augenaufschlag in die Kamera ist schon jetzt ein Eurovisions-Klassiker. Einer, der viele andere Zuschauer etwas zu sehr verstörte. Die beiden schieden im Halbfinale aus. Etwas weiter kam Kati Wolf aus Ungarn 2011 in Düsseldorf. Sie lieferte mit "What About My Dreams" eine Hymne, die auch Jahre später noch auf ESC-Partys läuft und den Weg in Consis "Pink Party Playlist" fand. Beim ESC landete sie dafür nur auf Platz 22.

Hits für den Euro Club

Mei Finegold für Israel. © NDR Foto: Rolf Klatt
Dass Mei Finegold 2014 nicht ins Finale kam, entsetzte viele ESC-Fans.

Wer als Fan zum Eurovision Song Contest reist, der will eine gute Zeit haben. Dazu gehört auch: Party machen! Fans mit Akkreditierung kommen in den offiziellen Euro Club, wo auch die Künstler nach erfolgreicher Probe gerne vorbeischauen. Musik, die die DJs dort spielen, wird schon im Vorfeld geliebt. Mei Finegold aus Israel lieferte 2014 in Kopenhagen einen sehr tanzbaren Song. Doch "Same Heart" wurde Vorletzer im Halbfinale - und die Fans verstanden die Welt nicht mehr. Ebenfalls 2014 Schluss im Semi für Suzy aus Portugal. Das sommerlich leichte "Quero ser tua" wurde trotzdem ein Fan-Evergreen und Suzy trat später noch bei vielen ESC-Events auf. Ähnlich ergeht es Hera Björk, die 2010 in Oslo mit "Je ne sais quoi" nur Platz 19 für Island ersang. Die Pop-Diva hat noch 2016 das Fanevent "Eurovision in Concert" in Amsterdam moderiert.

Nicht auf Englisch singen

Zoë aus Österreich schaut begeistert beim Singen im schulterfreien apricotfarbenen Kleid © NDR Foto: Rolf Klatt
Ihr flogen 2016 schon auf den Pre-Partys die Herzen zu: Zoë aus Österreich.

Bei genau diesem Event 2016 bekam eine junge Frau aus Österreich den meisten Applaus. Zoë traute sich etwas: Mit "Loin d’ici" nahm sie mit einem französischen Song 2016 in Stockholm teil. Für viele Fans ist genau das der Kern des ESC: viele Sprachen an einem Abend hören. Songs in Landessprache haben gerne einen Vorsprung in der Beliebtheitsskala. Nun sang Zoë nicht in Landessprache, aber immerhin nicht auf Englisch. Am Ende erreichte Österreich sogar einen Platz auf der linken Tabellenhälfte - Platz 13. Nicht ins Finale kam Valentina Monetta in Malmö 2013. San Marinos Dauerteilnehmerin trat einmal mit einem Song in Italienisch an. "Crisalide (Vola)" gilt bei vielen Fans als ihr bester. Der Song von Ralph Siegel bot Landessprache und Drama.

FFFs 2018: Frankreich und Finnland mit Chancen

Madame Monsieur sind Frankreichs ESC-Teilnehmer 2018
Viele Fans wollen Madame Monsieur 2018 ganz oben sehen. Aber ist das ein gutes Omen?

Die Fan Favourites platzieren sich also häufig nicht so gut wie erhofft. Dafür bauen sich ihre Künstler einen guten Ruf in der ESC-Community auf - und werden auch über Jahre nicht vergessen. Immerhin ein kleiner Trost. Um zu sehen, wer 2018 der FFF werden könnte, lohnt der Blick auf YouTube. Sehr viele ESC-Fans stellen Videoclips ins Netz, in denen sie ihre Top 43 präsentieren. Schon während der Vorentscheid-Saison aktualisieren sie ihre Clips rasend schnell und häufig liegt Frankreich dieses Jahr weit vorne mit einem Lied in Landessprache, das sich aber dennoch von allen anderen Fan Favourites unterscheidet. Bei Madame Monsieur gibt es keine Diva, "Mercy" ist schwerlich tanzbar und kein bisschen cheesy. Der gewisse Trash-Faktor fehlt. Allerdings mochten Fans in den vergangenen Jahren häufig die französischen Songs - doch weit nach oben kamen sie selten. Die Fan-Favoriten sind selten auch die Sieg-Favoriten beim ESC. Netta aus Israel liegt seit Bekanntgabe ihres Songs "Toy" ganz oben bei den Buchmachern. Kaum vorstellbar, dass sie so weit abstürzt, um ein FFF zu werden. Ein typischerer Kandidat ist Finnland. Saara Aaltos "Monsters" werden den Euro Club übernehmen und das Musikvideo verspricht eine Performance, bei der Fans dahinschmelzen. Sie singt im starken ersten Halbfinale und vielleicht qualifiziert sie sich nicht fürs Finale, aber Saara Aalto hat das Potential - ähnlich wie Hera Björk und Suzy - sich auch nach dem ESC einen Namen bei den Fans zu machen.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Blue | ESC Update | 28.04.2018 | 19:05 Uhr

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